Evangelische Kirche Dierdorf und Martin-Butzer-Gymnasium ermöglichten drei Aufführungen

Der Geistesblitz kam Luther auf dem Klo

Der Geistesblitz kam Luther auf dem Klo

Pfarrer Patrique Friesenkothen (rechts, im Gesprächmit Schauspieler Till Florian Beyerbach) machte zusammenmit dem Martin-Butzer-Gymnasium die Aufführung von„Play Luther“ in Dierdorf möglich. Fotos: -KER-

Der Geistesblitz kam Luther auf dem Klo

Dierdorf. Luther war schon ein ziemlich cooler Typ, mit manchmal ganz schön derben Sprüchen. Er war kein Heiliger. In dem Stück „Play Luther“ sagen Till und Lukas, er sei keine „Lichtgestalt“ gewesen, jedenfalls nicht in jeder Phase seines Lebens. Manchmal aber schon. Zum Beispiel wenn ihm auf dem Klo die Eingebung kommt, dass man für das Freigesprochenwerden von seinen Sünden kein Geld bezahlen sollte, weil Gott das gar nicht will. Und Luther war musikalisch und hatte eine schöne Sprache, die er mit seiner Version der Übersetzung des alten und neuen Testaments den Deutschen beibrachte. Mit Sprechgesang, schnellen Dialogen und origineller Musik zeichnen Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach ein plastisches Bild vom größten Kirchenreformator aller Zeiten. Die beiden Profi-Schauspieler nennen es „Ein musikalisches Theaterstück über Leben und Werk Martin Luthers“ und führten es vorige Woche in Dierdorf vor Schülern und Theaterbesuchern auf. Möglich gemacht hatten das kulturelle Highlight für die Stadt die evangelische Kirche mit Pfarrer Patrique Friesenkothen und das private evangelische Martin-Butzer-Gymnasium.

Auch wenn sie manchmal despektierlich über den Helden der im Jubiläumsjahr gefeierten deutschen Kirchenreformation sprechen: Vom Grundsatz sind Till und Lukas große Fans von Martin „Luder“, wie sie ihn scherzhaft nennen. Über ihr selbst entwickeltes Stück sagen die beiden Schauspieler aus Stuttgart und Göppingen: „Die Wurzeln unseres heutigen gesellschaftlichen Zusammenlebens gründen bei Martin Luther, seinen Lebensstationen und den daraus resultierenden Impulsen.“

Was unterscheidet Katholiken und Evangelische?

Das Stück auf der Bühne des großen Saals im Martin-Butzer-Gymnasium dauert 90 Minuten. In dieser Zeit spult sich das Leben Luthers von der Kindheit bis ins Alter vor den Augen der Zuschauer ab. Till und Lukas werfen sich dialogisch die Bälle zu, das Tempo ist atemberaubend, es bleibt gar keine Zeit, dass Langeweile aufkommen könnte. Was unterscheidet Katholiken und Evangelische? Wo gibt es Strukturen von Obrigkeit und Macht, wo nicht? „Ihr Lutheraner seid katholischer als wir!“ lautet ein Satz. Wie kann das sein? Die Neugier auf alles, was folgt, ist geweckt. Luther wird als Mensch gezeichnet, der in einer rückständigen Zeit in einer strengen Familie mit brutalen Erziehungsmethoden aufwächst. Da wird auch schon mal der Hosengürtel abgeschnallt, und das Kind für ein belangloses Vergehen körperlich gezüchtigt. War es wirklich so? Vielleicht. Jedenfalls passt die These ins Bild der weiteren Entwicklung des jungen Luther. Er entzieht sich der vom Vater gewünschten juristischen Ausbildung und geht ins Kloster.

Das hat er Gott versprochen, als er im Gewitter um sein Leben fürchtete. Auch diese Szene schön eindrucksvoll gespielt von Ullrich und Beyerbach. Mit geringstem Aufwand. Außer ihren beiden Instrumenten Schlagzeug und elektronisches Klavier ziert nur eine aus Dreiecken zusammengesetzte Halbkugel die Bühne. Die Schauspieler kommen mit beleuchteten Kapuzenjacken, einem bunten Schal, einem Hut und wenigen anderen Gegenständen aus. Zwischendurch trinken sie mal einen Schluck aus ihren großen Wasserflaschen.

Luther der Erfinder

der allgemeinen

deutschen Sprache

„Wir waren auf der Suche nach einem spannenden Thema, das in der Vergangenheit wurzelt, aber dennoch bis heute die Welt nachhaltig verändert“, beschreibt Beyerbach die Intention für die Umsetzung eines Theaterstückes über Martin Luther. „Wir haben beide als Schauspieler an verschiedenen Theatern gearbeitet, sind dort den großen deutschen Dichtern Goethe, Schiller und Co. Begegnet. Aber die eigentliche Wurzel, der Erfinder der allgemeinen deutschen Sprache wurde nicht gewürdigt – Martin Luther“, fügt er hinzu. Was die beiden zusätzlich angespornt hat, selbst ein eigenes Stück zu schreiben und zu spielen, ist die dadurch gewonnene schauspielerische Freiheit. Lukas Ullrich: „Schauspieler an deutschen Bühnen unterliegen eigentlich überall gewaltigen Zwängen. Da bleibt kaum Luft für eigene Kreativität. Und die Freude an diesem schönen Beruf geht verloren. Alles in allem hat es von der Idee, ein Theaterstück über Martin Luther zu machen, bis hin zum Tag der Premiere ziemlich genau ein Jahr gedauert.“ Ganz alleine wollten sie das Projekt aber doch nicht durchziehen und haben sich erstklassige Unterstützung besorgt: „Man darf gerne als Zuschauer Darstellung und Interpretation als Geschmacksache mögen oder nicht mögen. Aber uns war wichtig, dass die Fakten stimmen. Deshalb haben wir uns gleich den Regisseur, Autor und Kirchenkenner Uwe Hoppe mit ins Boot geholt. Er hat auf unsere Wünsche maßgeschneidert eine Textvorlage erarbeitet und uns beraten“, sagen Ullrich und Beyerbach. Auch für die musikalischen Elemente haben sich die Bühnenkünstler Verstärkung gesucht: Musiker Andrew Zbik ist als musikalischer Leiter für die melodiöse Harmonie – manchmal auch gewollte Disharmonie -verantwortlich.

Luthers Sprache wird mit

Sätzen der Whatsapp-

Generation verglichen

Irgendwie switcht das Stück zwischen Mittelalter und Moderne hin und her. Luthers schöne, blumenreiche Sprache wird mit den Drei-Wort-Sätzen der Whatsapp-Generation verglichen, von Angela Merkel, Papst Franziskus und Dieter Bohlen ist zwischendrin die Rede. Und vom Holocaust im Dritten Reich. Gibt es da eine Verbindung zu Martin Luther?

Im Tempo des Stückes geht die Antwort darauf unter. Muss man sich also in Ruhe zu Hause noch mal Gedanken drüber machen. Wie auch über die Fragen, warum es Bankenkrisen gibt, immer noch den Konflikt in Nordirland, und Fanatiker wie den Islamischen Staat oder Boko Haram. Und dann gibt es in „Play Luther“ ja auch noch die „besorgten Bürger“. Sie glauben, dass die Flüchtlinge in ihren Ländern in die Partyboote steigen, um nach Deutschland zu kommen und in Dierdorf Drogen zu verkaufen.

Zu BLICK aktuell sagte Lukas Ullrich nach der Aufführung: „Wir kommen, was unsere Ausbildung betrifft, vom Theater. Da haben wir eine Schauspielausbildung gemacht. Wir haben aber auch einen evangelischen Hintergrund. Wir haben viele Jahre für deutsche Theater gearbeitet. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die Intendanten keine Lust auf Schauspieler haben, die mitdenken. Es geht sehr hierarchisch zu am Theater. Und dann ist uns aufgefallen, dass sich die ganze Theaterwelt auf Goethe, Schiller und Konsorten bezieht. Und wir haben uns gefragt: Auf wen beziehen die sich eigentlich? Und es ist ja der Herr Luther, der uns das alles auf den Weg gegeben hat. Dann haben wir uns dem Thema angenommen und geschaut, wo führt es uns hin. Das war der Vater des Gedankens. Wir haben uns quasi frei gemacht vom Theater und produzieren Stücke jetzt selbstständig.“ Mehr über die Luther-Aufführungen von Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach findet man unter www.playluther.de oder bei Facebook.