Gedenken an die Reichspogromnacht

Der Schritt von der Zivilisationin die Barbarei ist nur klein

Der Schritt von der Zivilisation
in die Barbarei ist nur klein

An der Gedenkstätte im Rheinbacher Rathaus erinnerten Bürgermeister Stefan Raetz und Schweigemarsch-Organisator Willi Oberheiden an die Namen der aus Rheinbach deportierten Juden.JOST

Der Schritt von der Zivilisation
in die Barbarei ist nur klein

„Erinnern - Gedenken - Mahnen“ stand auf dem Banner beim Schweigemarsch anlässlich der „Reichskristallnacht“ vom November 1938 durch die Rheinbacher Innenstadt.

Rheinbach. Ungewollte Aktualität hatte die Gedenkveranstaltung zur „Reichspogromnacht“ diesmal in Rheinbach, wie Bürgermeister Stefan Raetz bei seiner Ansprache vor dem Gedenkstein an der ehemaligen Synagoge feststellen musste. Erst vor wenigen Tagen hatten Unbekannte an der Fassade des neuen Wohngebäudes für Asylbewerber in der Keramikerstraße unschöne Nazi- und Hakenkreuz-Schmierereien angebracht. Er zog eine Parallele zu den Geschehnissen am 9. November 1938. Was damals geschah, sei nicht spontan gewesen, sondern genau vorbereitet. Zwei Jahre später schon habe die Massenvernichtung vor allem der Juden in Deutschland und den besetzten Gebieten begonnen.

„Es braucht nur einen Auslöser“, machte er deutlich, wie klein der Schritt von der Zivilisation in die Barbarei eigentlich sei. Deshalb sei auch heute noch nicht genug mit „Erinnern - Gedenken - Mahnen“, da wusste er nicht nur die Organisatoren des Schweigegangs, Willi Oberheiden und Peter Schürkes, an seiner Seite.

Auch zahlreiche Ratsmitglieder, Vertreter der Kirchengemeinden und Bürger schlossen sich der Gedenkfeier an und kamen zunächst zu einer ökumenischen Andacht mit anschließendem Schweigegang, Kranzniederlegung und Gedenken an die Opfer des 9. Novembers 1938 an der Gedenkstätte im Rathaus zusammen.

„Erinnern hilft auch, die Gegenwart besser zu verstehen“, betonte Raetz und wies hin auf das in jüngster Zeit immer stärker werdende „unverhohlene Lautwerden nationalistischer Töne in ganz Europa hin, gespeist von der Angst um das eigene kleine Ich.“ Angesichts dessen sei eine „streitbare Toleranz“ dringend notwendig. Doch die könne sich nur in Freiheit entfalten - und Freiheit sei ein kostbares und leicht zerbrechliches Gut.

Der Schweigegang durch die Innenstadt führte vorbei an einigen Häusern, in denen einst jüdische Familien wohnten, die von den Nazis deportiert und ermordet wurden. Peter Mohr zeichnete die Schicksale dieser Personen und Familien in eindringlichen Worten nach und machte so das Grauen der Pogrome auch in Rheinbach fassbar. Etwa die Familie Klaber, die als erste aus Rheinbach deportiert wurde. Ihr Weg führte zunächst nach Litzmannstadt (Lodz), um dann im Vernichtungslager in Chelmno auf grausame Weise zu enden.

Am Jüdischen Friedhof sprach Willi Oberheiden für die Opfer der Shoa das jüdische Gebet „Gott voller Erbarmen, schließe ihre Seelen ein in das Band des ewigen Lebens“. Peter Mohr erinnerte daran, dass auf dem jüdischen Friedhof schon in der Pogromnacht „alles kurz und klein geschlagen“ worden sei. Mit der Enteignung jüdischen Eigentums sei der Friedhof dann der Kommune zugefallen, die anschließend, den damaligen Zeitgeist entsprechend, alle Spuren eines jüdischen Friedhofs beseitigte. Erst nach Kriegsende sei der Friedhof wieder der Jüdischen Kultusgemeinde übereignet worden. An der Gedenkstätte im Innenhof des Rathauses erinnerten Oberheiden und Raetz an die Namen aller 34 jüdischen Kinder, Frauen und Männer, die von Rheinbach aus in den Tod transportiert wurden.

In Rheinbach geht das Gedenken weiter: Am Dienstag, 21. November, 13 Uhr, sollen weitere Stolpersteine in Wormersdorf und gegen 13.45 Uhr in der Kernstadt verlegt werden.