Forum Soziale Gerechtigkeit - eine Initiative für den Wersterwaldkreis

Ein Abend, viele Impulse: Demenz im Krankenhaus

27.04.2017 - 13:39

Montabaur. Früher war das alles selbstverständlich. Morgens frühstücken, alleine einkaufen gehen, sich in der Stadt zurechtfinden, die Namen der Nachbarn kennen. Doch irgendwann war nichts mehr selbstverständlich. Sich etwas zu merken, fiel immer schwerer. Das Kurzzeitgedächtnis war wie leergefegt. Es waren erste Symptome einer Demenz. Eine Krankheit, die einer immer älter werdenden Gesellschaft immer häufiger begegnet – und sie vor große Herausforderungen stellt. Etwa in einem Krankenhaus. Ein Patient, der an einer Demenz leidet, findet vielleicht nicht mehr selbst den Weg zur Dusche. Vergisst gar, wo er ist, wenn er am Morgen aufwacht. „Menschen mit Demenz im Krankenhaus“ – so lautete das Thema einer Veranstaltung, zu der das Katholische Klinikum Koblenz Montabaur und das Forum Soziale Gerechtigkeit gemeinsam ins Brüderkrankenhaus nach Montabaur geladen hatten. Ein Abend voller starker Impulse und spannender Begegnungen.

„Demenz im Krankenhaus ist ein enorm wichtiges Thema“, sagte David Langner. Der Staatssekretär aus dem Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie in Mainz eröffnete den Abend mit einem kurzen Grußwort. „Rund 23 Prozent der Patienten leiden an einer Demenz. Das unterstreicht, dass das Thema nicht nur ab und zu vorkommt, sondern dass quasi jeder vierte Patient betroffen ist. Das stellt die Mitarbeiter in Krankenhäusern, aber auch die Angehörigen der Betroffenen vor große Herausforderungen.“ Sein Ministerium hatte einst das Modellprojekt „Demenzkompetenz im Krankenhaus“ ins Leben gerufen. Von Juli 2013 bis Februar 2015 wurden, unter Führung der Landeszentrale für Gesundheitsförderung, an acht Modellkliniken in Rheinland-Pfalz eine Vielzahl an Erfahrungen und Ergebnissen im Umgang mit Demenzpatienten gesammelt und diese anschließend für alle Kliniken zugänglich gemacht. Langner versprach: „Wir werden die Krankenhäuser auch zukünftig beim Thema Demenz sehr eng begleiten.“

Eng eingebunden in die Modellphase des Landes war mit Andre Hennig auch der Hauptreferent des Abends. Der Mainzer, Gründer und Inhaber der Firma Inverso, bietet Weiterbildung, Coaching und Beratung im Gesundheitswesen an. Mehr als 15 Jahre Expertise im Hinblick auf die Versorgung von Menschen mit Demenz machen ihn zu einem der führenden Experten im Land. Er begleitete im Auftrag der Landesregierung das Modellprojekt und berichtete sehr anschaulich und lebendig von den gemachten Erfahrungen – nicht ohne jedoch auch kritische Töne zu treffen. „Sehr viele Krankenhäuser haben sich zum Thema Demenz auf den Weg gemacht und bereits beachtenswerte Erfolge erzielt. Aber wir sind weit davon entfernt sagen zu können, dass wir zufrieden sein dürfen. Oftmals geraten Krankenhäuser an die Grenzen ihrer Ressourcen, zum Beispiel mit Blick auf die Manpower. Wir sind noch meilenweit von den Versorgungsbedingungen entfernt, die Menschen mit Demenz benötigen.“

Moderiert von Uli Schmidt (Forum Soziale Gerechtigkeit) und Werner Hohmann (Hausoberer KKM) kamen im Laufe der Veranstaltung weitere Experten zum Thema Demenz in Vorträgen zu Wort. In einem Kurzfilm wurde zunächst die Situation am Katholischen Klinikum erläutert, das sich mit einer eigenen Klinik für Akutgeriatrie intensiv dem Thema Altersmedizin und damit auch dem Thema Demenz im Krankenhaus widmet. Dr. med. Ralph Schulz (Chefarzt Akutgeriatrie) und Prof. Dr. med. Johannes Wöhrle (Chefarzt Neurologie/Stroke Unit) berichteten anschließend aus dem Klinikalltag. Kurze Impulse gab es zudem von Judith Gläser (Demenznetzwerk Montabaur Wirges Wallmerod) und dem in der Region tätigen Hausarzt Dr. Volker Classen.

„Bei der Planung dieser Veranstaltung haben sich Forum und KKM die Frage gestellt, ob das Thema Demenz im Westerwald überhaupt schon ein Thema ist“, sagte Uli Schmidt. „Der Abend hat eindrucksvoll gezeigt: Es ist ein Thema, dass sehr viele Menschen bewegt.“ Auch Andre Hennig verließ nach zwei kurzweiligen Stunden den Westerwald mit dem Eindruck, „dass das ein sehr gelungener Abend war. „Ich maße mir an, dass sagen zu dürfen, denn ich komme sehr viel rum zu diesem Thema. Im Publikum saßen (Medizin)Profis, aber auch Betroffene und Angehörige. Diese Mischung war unheimlich spannend – ich denke, für alle Seiten.“

„Das war eine sehr gelungene Veranstaltung, von der alle Beteiligten sehr viel mitnehmen konnten“, sagte auch Matthias Warmuth (Mitglied der Geschäftsführung der BBT-Gruppe). „Der alte Mensch im Krankenhaus ist ein wichtiges Thema für uns, dem wir uns schon heute sehr intensiv widmen. Die erfolgreiche Etablierung der Akutgeriatrie am Brüderkrankenhaus in Montabaur, die schon per Definition deutlich längere Verweildauern für Patienten im Krankenhaus ermöglicht, war ein erster wichtiger Schritt.“

Der wichtigste Impuls an einem Abend mit vielen Fachinformationen kam jedoch ganz ungeplant und aus dem Publikum. „Mein Mann leidet schon seit langer Zeit an Demenz“, sagte eine Zuhörerin bei der abschließenden Fragerunde. „Aber wir genießen auch heute noch jeden einzelnen Tag unseres Zusammenlebens sehr. Und wir sind seit 65 Jahren verheiratet.“ Beeindruckende Worte am Ende eines beeindruckenden Abends, der viel Mut machte, aber auch noch viele Aufgaben aufzeigte, die es in der Zukunft zum Thema Demenz noch zu bewältigen gilt.

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Kommentare können für diesen Artikel nicht mehr erfasst werden.
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Fassungslosigkeit und Entsetzen bei Angehörigen und Beobachtern

Ex-Landrat wird nicht angeklagt: Einstellung des Verfahrens schlägt hohe Wellen

Kreis Ahrweiler. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hat am 17. April 2024 das Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Landrat des Landkreises Ahrweiler und den Leiter der Technischen Einsatzleitung (TEL) während der Flutkatastrophe an der Ahr 2021 eingestellt. Die umfangreichen Ermittlungen ergaben keinen ausreichenden Tatverdacht, der eine strafrechtliche Verurteilung ermöglichen würde. Dem Leitenden... mehr...

Polizei bittet Verkehrsteilnehmer keine Anhalter mitzunehmen

Andernach: Fahndung nach flüchtigen Personen und dunklem BMW

Andernach. Seit Mittwochabend, 17. April, gegen 22.37 Uhr finden im Bereich Andernach umfangreiche polizeiliche Fahndungsmaßnahmen nach flüchtigen Personen statt. Gefahndet wird nach einem dunklen 5er BMW mit Mönchengladbacher Kennzeichen (MG). Bei Hinweisen auf das Fahrzeug wird gebeten, sich umgehend mit der Polizei Koblenz unter 0261/92156-0 in Verbindung zu setzen. Nach derzeitiger Einschätzung besteht keine Gefahr für die Bevölkerung. mehr...

Regional+
 

Unfallfahrer konnte sich nicht an Unfall erinnern

Neuwied: Sekundenschlaf führt zu 20.000 Euro-Schaden

Neuwied. Am Montag, 15. April ereignete sich gegen 16.35 Uhr ein Verkehrsunfall auf der Alteck. Ein PKW wurde im Seitengraben vorgefunden, während ein weiteres Fahrzeug auf der falschen Fahrbahnseite zum Stehen kam. mehr...

Die Veranstalter rechnen voraussichtlich mit 500 Teilnehmern

Demo in Ahrweiler: Wilhelmstraße wird gesperrt

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Am Sonntag, den 21. April 2024, findet in Bad Neuenahr-Ahrweiler eine Versammlung unter dem Titel „Sei ein Mensch. Demokratie. Wählen“ statt. Die Veranstalter erwarten etwa 500 Teilnehmer. Aufgrund des geplanten Demonstrationszuges wird die Wilhelmstraße zeitweise gesperrt sein. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
Jürgen Schwarzmann :
Für alle Betroffenen im Ahrtal ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft schwer nachzuvollziehen. Ich hätte mir schon gewünscht, dass das Verfahren eröffnet worden wäre um so in einem rechtsstaatlichen Verfahren und einer ausführlichen Beweisaufnahme die Schuld bzw. Unschuld festzustellen. Die Entscheidung...
K. Schmidt:
Wenn ich das richtig sehe, gab es, bevor der Landkreis/Landrat die Einsatzleitung übernahm bzw. übernehmen musste, doch auch in den einzelnen Kommunen schon Leiter. Die staatsanwaltschaftlichen Arbeiten beziehen sich wohl nur auf Landrat bzw. dessen Kreisfeuerwehrleiter. Heißt das, darunter haben Herr...
K. Schmidt:
In der Pressekonferenz ging man auch auf die Warnungen und Hinweise dort, wo es sie gab, ausführlicher ein. So wurden Feuerwehrleute mancherorts belächelt, ignoriert, gar beschimpft. Dann frage ich mich, was soll dann irgendwer noch anderes tun? Wie will man denn jemanden regelrecht evakuieren, der...
Amir Samed:
Es sind nicht die Migranten, die Deutschland über Gebühr belasten, im Gegenteil, es sind die falschen, die mutwillig falsch hereingelassenen Migranten, und es sind die richtigen, die integren, fleißigen Migranten, die versuchen, mit den restlichen Deutschen dagegenzuhalten....
juergen mueller:
Liebe Frau Friedrich. Den werden weder Sie noch meine Wenigkeit überzeugen, ändern noch zum Schweigen bringen, einen, der doch fast nur von (vielleicht) klugen Sprüchen/Zitaten anderer lebt, das Internet auf der Suche nach Informationen durchforstet, die seine/r Meinung entsprechen/unterstützen u....
Amir Samed:
Zum Kommentar von Gabriele Friedrich einige (kluge) Worte von Margaret Thatcher: „Je lächerlicher, weit hergeholter und extremer ihre Versuche sind, uns zum Schweigen zu bringen, desto mehr freue ich mich darüber“...
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service