Scheckübergabe im Obdachlosenrestaurant „Mampf“ in Koblenz-Lützel

Flucht nach vorn,für einen Schlafplatz auf der Straße

Flucht nach vorn,
für einen Schlafplatz auf der Straße

V.li. Rolf Künster von Human Connection, Tobias Christmann von Die Linke Koblenz, Erich Weber - Obdachlosenrestaurant „Mampf“, Sabiene Jahn von Human Connection und Christian Zillgen von Die Linke Koblenz, Sprecherrat. Tanja Kasprzak

Koblenz-Lützel. Ein Termin im Obdachlosenrestaurant „Mampf“, Gartenstraße 12/Ecke Brenderweg in Koblenz-Lützel. Hier wurde ein Scheck in Höhe von 700 Euro übergeben. Mitglieder der Partei Die Linke haben das Geld über Spenden in der Adventszeit zusammengetragen. Sie sammelten bis zum Jahresende am Bahnhof bei den Koblenzer Bürgern und unter vielen Reisenden.

Viele Menschen brachten an den acht Samstagen überwältigende Mengen an Bekleidung zum roten Pavillon am Bahnhof. Auch unzählige Hygieneprodukte, die immer wieder knapp sind in den Institutionen, die sich um die Obdachlosen bemühen. Über das Geld und 40 prall gefüllten, noch übrig gebliebenen 120 Liter fassende Kleidersäcke mit warmer Winterbekleidung, die am Stand noch nicht verteilt werden konnten, freut sich Erich Weber besonders. Er ist einer von zwei Sozialarbeitern des mildtätigen Vereines „Die Schachtel“. „Da haben wir großen Bedarf“ und meint damit auch die Streetworker des Vereins, deren Sozialarbeit und die Ausstattung für den Kältebus.

„Unsere Beratungstätigkeit zahlt Stadt und Land zwar hälftig mit insgesamt 50.000 Euro jährlich - auf freiwilliger Basis,“ schiebt er ein, „aber das deckt nicht die Gesamtkosten des privaten Vereins.“ Die Miete für das Haus, die Servicekräfte, Personalkosten und Sachkosten für die bereitstehenden Fahrzeuge, die die Rotarier Koblenz spendeten, sind knapp kalkuliert und benötigen zusätzlicher Ressourcen. Sie werden aus reinen Spendenleistungen des Fördervereins beglichen. Erich Weber und sein Kollege Jürgen Michel teilen sich im Büro eine Stelle. Die Kosten liegen insgesamt um 15.000 Euro höher, damit alles gestemmt werden kann. Für das Obdachlosenrestaurant „Mampf“ müssen gar über 35.000 Euro der Spenden zusätzlich im Jahr investiert werden. Dabei übernimmt bereits eine Vielzahl von Ehrenamtlichen die Verwaltungsarbeit kostenfrei.

Die Bedürftigkeit ändert sich ständig. „Als wir 2003 unsere Arbeit aufnahmen, wurden etwa 50 Personen permanent versorgt und 48 Essen täglich ausgegeben“, erzählt Erich Weber weiter. Das änderte sich, als die Tafeln einige Ausgabestellen in Koblenz eingerichtet hatten. Mittlerweile versorgt das Obdachlosenrestaurant mit 25 Essen am Tag, und kümmert sich um insgesamt 20 bis 50 Besucher in dieser Einrichtung. Beispielsweise mit einem kostenfreien Frühstück. Für das warme Mittagessen bezahlen Selbstzahler zwei Euro. Das liegt weit unter dem Einkaufspreis. Fünf der innerstädtischen Pfarrgemeinden haben sich zusammengeschlossen und geben Gutscheine für Essen und ein Getränk aus, die zu 90 Prozent durch das „Mampf“ abgegolten werden. So kommen insgesamt 7.500 verkaufte Essen in einem Jahr zusammen. „Hierbei unterstützt uns seit über zehn Jahren die Klinik Lahnhöhe in Bad Ems, die uns jeden Samstag einen 30-Liter-Topf Suppe liefert. Einmal im Monat kochen die muslimischen Geistlichen der Tahir-Moschee ein orientalisches Gericht für das „Mampf“ und wöchentlich ebenso für unseren Kältebus“, erzählt der Sozialarbeiter.

Überschuldung

endet oft in Selbstaufgabe

In gemütlicher Runde sitzen etwa noch ein Dutzend Wohnungsloser in der warmen Cafeteria. Einige Gäste fragen Erich Weber nach ihrer Post, denn das „Mampf“ gilt für die Wohnungslosen als Meldeadresse. Rund 60 Menschen sind im Moment postalisch beim Verein gemeldet. Das ist die Voraussetzung, um überhaupt Sozialleistungen von den Behörden zu erhalten. Eine junge Frau hat große Sorgen, sie hat eine Stromrechnung von rund 5.000 Euro für ein Jahr erhalten. Sie ist völlig geschockt. Auch darum wird sich der Diplom-Sozialarbeiter noch kümmern. Die Spannbreite der kaum zu beherrschenden Probleme ist weit. Sie beginnen bei einer krankhaften Sucht, führen zu hohen Überschuldungen und enden oft in völliger Selbstaufgabe. „Hier muss den Menschen geholfen werden, sich zu stabilisieren,“ sagt Erich Weber. Der Verein vermittelt dann an gesetzliche Betreuer, koordiniert Termine oder sorgt in äußerst kritischen Fällen, etwa bei Selbstgefährdung, für eine kurzfristige Unterbringung in einer Klinik.

Erich Weber verdeutlicht, „die Hartz-4-Reform, mit der sicher gut gedachten Verantwortung für das eigene Schicksal und weniger sozialer Stigmatisierung, wird an diesem Punkt zum sozialen Albtraum. Diese Menschen können sich überwiegend nicht mehr selbst helfen, brauchen Unterstützung.“ Ein grundsätzliches Problem sieht er darin, dass prinzipielle Wohnungsnot in Koblenz nicht aufgelöst werden kann. Es ist schlichtweg kein Wohnraum für sozial Schwache vorhanden. Andererseits werden katastrophale Wohnräume zu völlig überhöhten Preisen angeboten und Not ausgenutzt, sodass die Flucht nach vorn oft ein Schlafplatz auf der Straße bedeutet. „Persönliche Rückschläge können Menschen komplett aus der Bahn werfen und zur völligen Lebensumstellung führen, die eine normale Lebenswirklichkeit kaum noch zulassen“, beschreibt es Erich Weber. Für diese Menschen könnte er sich schlichte Wohncontainer gut vorstellen, offene Kasernen oder Gartenlauben, die sie einfach nutzen dürften. Ganz unkonventionell, denn „es müsste in dieser Gesellschaft möglich sein, dass jeder Mensch einen Anspruch auf einen warmen, trockenen Schutzraum für sich hat.“ Von positiven Beispielen spricht eine Berufskollegin aus Limburg,“ erzählt Erich Weber. Sie kümmert sich beim Ordnungsamt ausschließlich um Wohnungslose und ihre Unterbringung, währenddessen in Koblenz 13 Ordnungsbeamte für die Gefahrenabwehr zuständig sind, die die Obdachlosen wecken, kontrollieren und vertreiben. „Wo ein Wille ist, finden sich sehr wohl Wege,“ kommentiert er.

Wohnungsnot hat

arbeitende Bevölkerung erreicht

Mit über 300 Menschen hatte sein Team im vergangenen Jahr Kontakt, die von Wohnungsnot bedroht waren. „Es ist eine besonders dramatische Entwicklung in Koblenz“, schätzt Erich Weber ein, „Wohnungsnot hat mittlerweile die arbeitende Bevölkerung erreicht.“ Eine besonders betroffene Bevölkerungsgruppe stammt aus Osteuropa. Die Bulgaren bekommen zwar relativ schnell über ihre Netzwerke eine Arbeit, können dann aber keine Wohnung finden, die bezahlbar ist. Bei der Caritas sind 150 Menschen gemeldet. Sie alle müssen aufwendig verwaltungstechnisch versorgt werden. Die Gründe liegen in der Nachweispflicht, dass sie sich noch in der Stadt aufhalten und der wöchentlichen Meldepflicht gegenüber den Sozialleistungsträgern. Oftmals stand ihnen eine Kündigung des Arbeitsplatzes ins Haus. Sie kamen dann erst mal bei Freunden oder Verwandten unter. Etwas später sammelte sie dann der Kältebus von der Straße auf. Hier half man in lebensbedrohlichen Situationen, in dem man sie am Schlafplatz mit einer warmen Suppe versorgte, besorgte Schlafsäcke, wenn sie nicht im Übernachtungsheim Unterschlupf finden wollten.

„Man findet sie in Abbruchhäusern, Tiefgaragen oder in den Eingangsbereichen von Banken. Manche streichen des Nachts durch die Stadt und werden für ein Weilchen in Restaurants geduldet“, erzählt Erich Weber. Eine individuelle Versorgung galt dabei den psychisch erkrankten Menschen oder Suchtkranken. Diese Menschen sind in sehr kalten Jahreszeiten lebensgefährdet. Dreimal in der Woche ist der Kältebus dann unterwegs: Dienstag, Donnerstag und Samstag treffen die Streetworker auf dieser Fahrt im Durchschnitt sechs bis 20 Hilfebedürftige an. „Wir gehen jedoch davon aus, dass etwa 30 bis 60 Menschen ständig in Koblenz unterwegs sind“, schätzt Erich Weber. „Sie besitzen nur ihr Zelt, einen Schlafsack und das, was sie am Körper tragen.“

Gesucht wird Malerbetrieb

und eine Edelstahlküche

Der Verein bewältigt weit mehr Aufgaben, als es das rote Schild mit dem Wort „Mampf“ über der Eingangstür vermuten lässt. Es bedeutet viel mehr als essen. Das nächste Ziel ist die Renovierung des Restaurants und seiner Aufenthaltsräume. Die sehr angespannte Personalstruktur zur Begleitung der Malerarbeiten und ein Zuwachs von Zweidrittel an Klienten, um die man sich kümmern muss, lässt für die notwendigen Tapezierarbeiten schlichtweg keine Zeit mehr. Gesucht wird deshalb ein Malerbetrieb. Noch dringlicher ist eine Edelstahlküche, so geben es zumindest die Vorschriften beim Gesundheitsamt vor. Gemeinsam mit vielen Förderern wird es gelingen.

Spendenkonto Förderverein Mampf e.V.: IBAN: DE31 5705 0120 0041 0054 06, Sparkasse Koblenz - SWIFT-BIC: MALADE51KOB.

Sabiene Jahn