Faszination Interpretation: Heilberscheider K(l)einkunst-Vernissage

„Große Kunst in kleiner Hütte“

„Große Kunst in kleiner Hütte“

Der Aktionskünstler Mr. Shakira Virginia in Vorbereitung seiner feurigen Installation „Lodernde Linde“.

„Große Kunst in kleiner Hütte“

Mit seinem Werk „Kreidefels am Abgrund des Gelbachs“ bereicherte der Rügener Pascal René die Vernissage.

„Große Kunst in kleiner Hütte“

Toni Baggerfahrer steuerte mit „Rohr im Gehölz (schwebend)“ eines der wenigen Freiluftexponate bei.

„Große Kunst in kleiner Hütte“

„Die Blume“ der Heilberscheider Nachwuchskünstlerin Josie Biene verzauberte die Ausstellungsgäste.

„Große Kunst in kleiner Hütte“

Meist bestauntes Gemälde in der Grillhütte war Konstantins „Die unsichtbare Hand der Margot“.Stammtisch Gor ze gern

Heilberscheid. Laut und fröhlich schallten die Jubelklänge durch die Gebranntheck. Mit einer solchen Resonanz auf die Vernissage in der Grillhütte hatte selbst Mr. Shakira Virginia, einer der kühnsten Optimisten unter den anwesenden Illustratoren nicht gerechnet. Vielmehr war die kühne Idee, große Kunst in einen kleinen Holzverschlag im Wald zu bringen, im Vorfeld vielfach belächelt worden. Dabei hatte kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe die Losung für die Heilberscheider K(l)einkunst-Vernissage ausgegeben: Solange sich Kultur verbreite, sei es ganz einerlei, in welchem Kreis und an welchem Ort dies geschehe, stellte der Dichterfürst bereits im Jahr 1818 fest.

Von konstruktiv bis Revoluzzer

200 Jahre später folgte die Bestätigung in und um die Heilberscheider Grillhütte. Neben etablierten, namhaften Kunstschöpfern, die schon frühzeitig ihr Kommen signalisiert hatten, lockte das offene Ausstellungskonzept auch zahlreiche, aufstrebende Nachwuchskünstler aus der Region an, die spontan ihre Werke zur Verfügung stellten – allen voran der Westerwälder Virginia, der unter seinem Künstlernamen mit der exklusiven Aktionsdarbietung „Lodernde Linde“ auf die drastische Abnahme der Brandkrustenpilzpopulation im Wiesengrund aufmerksam machen wollte. Einen viel diskutierten Kontrastpunkt zu dieser Feuershow lieferte Toni Baggerfahrer mit seiner Provokation „Rohr im Gehölz (schwebend)“. Das dritte Freiluftkunstwerk steuerte schließlich der Open-Air-Artist Pascal René bei. Mit seinem Konstrukt „Kreidefels am Abgrund des Gelbachs“ übte der regimekritische Revoluzzer Kritik an Gesellschaft und Obrigkeit zugleich. Der Rügener meißelte abstrakte Begriffe wie Unfug, Unfähigkeit und Behördenwahn in die Kreide und nannte sein Werk „Missstand der Moderne“.

Deutlich konstruktiver und lebendiger ging es im Innern der Grillhütte zu. Neben dem vor Kraft strotzenden dreidimensionalen Bildnis „Die unsichtbare Hand der Margot“ des Weilburger Bildhauers und -malers KONSTANTIN überzeugten vor allem die Gemälde von Charlotte T. und Josie Biene. Die Besucher der Vernissage verharrten teilweise minutenlang vor deren Exponaten und bewunderten Strahlkraft und Ausdrucksstärke. Insgesamt hoben die Kunstliebhaber vor Ort vor allem das breit gefächerte kulturelle Spektrum hervor, das die Veranstaltung bot. Gleichzeitig blieb bei Bockwurst und Glühwein ausreichend Raum zu künstlerischem Austausch und kulturellen Grundsatzdiskussionen.

Überraschungswerke

von Senör Daffne

Weit auseinander – von subversiv und kannibalisch bis warmherzig oder betörend – lagen die Interpretationen der Werke von Peggy & Brin. Das walisische Künstlerpaar zeigte Skizzen aus 2005 und 2015 und somit einen stilistischen Reifeprozess weg von scharfkantiger Expression hin zu eher schwärmerischen Arbeiten. Kontrovers diskutiert wurde auch über die Ausstellungsstücke von Senör Daffne. Daffne, als Diva unter den heimischen Künstlern verschrien, hatte sich auf Druck seiner Bostoner Galerie The G Studios erst kurzfristig dazu durchgerungen, zwei Kunstdrucke zu übersenden. Die Gäste staunten nicht schlecht, als sie die bisher unveröffentlichten Erstlingswerke Senör1 und Senör2 zu Gesicht bekamen, welche auf die hauswirtschaftlich implizite Disjunktion von Individuum und Gesellschaft aufmerksam machen. Die Dose, hier als Sinnbild für die Gesellschaft als Über-Ich zu verstehen, bleibt bei Daffne ansonsten unbeachtet und nicht sichtbar im Hintergrund. Daffne lebt in New York, Paris und Hundsangen.

Hungrige Wutz von de Woods

Bei dieser Wucht an Virtuosität erschien es nur verständlich, dass die Installation einer ansonsten erfolgsverwöhnten Künstlerin fast unterging. Mit einer sowohl provokativ als auch karitativ zur Schau gestellten Sau sollten die anwesenden Gäste imperativ angeregt werden, bei Doumo Abesson de Woods etwas in die Wutz zu tun. Kenner des Metiers schätzen de Woods eigentlich für die extreme Präsenz ihrer rastlosen, nuancierten Werke. Zur Überraschung der Gäste stellte sie diesmal aber ein eher gedämpftes Exponat zur Sau, welches als quasi-intentionale Projektionsäquivalenz zu Spenden für einen guten Zweck animieren sollte. Das altruistische Artefakt erbrachte Almosen im mittleren zweistelligen Euro-Bereich. Sie kommen zusammen mit dem Reinerlös der Vernissage und einem Obolus des lokalen Stammtischs nun der kreativen Förderung an der kommunalen Kindertagesstätte Hummelhaus zugute – eine Investition in die Zukunft!

Ein Mal bleibt einmal

Keine Zukunft wird es hingegen für die Heilberscheider K(l)einkunst-Vernissage geben. Sie war von vornherein als einmaliges Ereignis konzeptioniert. Da vermochten auch die letzten Hüttengäste, als die Linde längst nicht mehr loderte, den Veranstalter nicht mehr umzustimmen. Frei nach Goethe verbleibt somit nur die Hoffnung, dass Kunst und Kultur nun andernorts beginnen, ganz einerlei in welchem Kreis.

Pressemitteilung

Stammtisch Gor ze gern

Heilberscheid