Aktionskünstler Beuys stand im Mittelpunkt eines Vortrags in der Kunsthalle Montabaur

Jenseits von Margarine und Filz

Jenseits von Margarine und Filz

Mit eigenen Installationen stimmte Dr. Schneider (rechts) die Teilnehmerdes Abends auf das künstlerische Schaffen Joseph Beuys’ ein. Fotos: -KER-

Jenseits von Margarine und Filz

Bernhilde und Gilbert Skrebutis machten sich in der Pause beimAusschank nützlich. Sie waren maßgeblich an der Gründung derStiftung Historica beteiligt und kümmern sich um die Kunsthalle.

Montabaur. Der für seine Extravaganzen und außergewöhnlichen Kunstaktionen bekannte Künstler Joseph Beuys war Thema eines Abends in der Kunsthalle Montabaur. Der Kunstverein Montabaur e.V. und die Historica-Stiftung gGmbH hatten den Referenten und selbst Kunstschaffenden Dr. Rudolf Schneider eingeladen, einen Zugang zum Schaffen des nicht unumstrittenen Künstlers Beuys zu ermöglichen und Ansätze für die Interpretation seiner Werke zu liefern.

Schneider erklärte den Hintergrund der Veranstaltung so: „Ich wollte schon lange mal einen Vortrag über Beuys machen. Beuys begleitet mich schon sehr lange. Seine Person und seine Denkweise waren für mich auch schon wichtig in persönlichen Krisen. Es gibt auch einen Menschen, das ist ein Psychologe, der Beuys einsetzt als Heilmittel. Er geht mit Leuten, die Probleme haben, in Museen und schaut sich mit ihnen Beuys-Werke an. Ich habe mich dann damit beschäftigt, wie man Menschen erklärt, was Beuys macht.“

Zeitgenössische Beuys-

Interpretationen in Montabaur

Zur Veranschaulichung seines Vortrags hatte er in der Kunsthalle zwei Installationen aufgebaut, die vom Stil her an die Kunstaktionen Beuys’ erinnerten. Zum Beispiel einen Käfig mit zwei niedlichen kleinen, lebenden Ratten darin. Zum Käfig führten Stromkabel - natürlich nicht angeschlossen -, die an Zeitungsstapeln endeten, auf denen Bienenwachs und braune Farbe lagen. „Installation zur Bundestagswahl 2017“ hatte Schneider dieses Kunstwerk genannt.

Die zweite Installationbeschäftigte sich mit dem Thema der Werbung für die scheinbar schönen Dinge des Lebens wie Autos oder Luxusurlaube. „Viel Glück und viel Segen auf all deinen Wegen“ hieß das Werk. Schneider beschäftigte sich darin mit dem Thema Statussymbole, Gold, Pelz, Handy, Auto, Haus, Reisen und ähnlichen Dingen. In den jeweiligen Bildern standen Texte. Bei der Luxusreise auf die Seychellen zum Beispiel ein Satz von Hans Magnus Enzensberger: „Der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet“. Schneider: „In unserem Leben gehen wir immer an verschiedenen Fallen vorbei, in die wir reintappen, wenn wir nicht aufpassen.“

Überleben trotz moderner Technik

Im Beruf arbeitet Dr. Schneider als Berater im Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum in Montabaur. Im Winter arbeitet er als Lehrer an der Berufsschule.

In seinem Vortrag stellte er die These auf, dass sich Beuys 1969, im Jahr der Landung auf dem Mond, der euphorischen Technikgläubigkeit verweigern wollte. Er stellt sich bewusst gegen den Zeitgeist und die Faszination des naturwissenschaftlichen Denkens. Als Beispiel zeigte Schneider ein Foto einer Beuys-Installation auf der Dokumenta in Kassel: Holzschlitten mit „Überlebenspäckchen“ in Verbindung mit einem verrosteten VW-Bus, die Installation „Das Rudel“ aus dem Jahr 1969. Das Schlittenrudel und das Auto fahren in entgegengesetzte Richtung. Dr. Schneider erläuterte die Unterschiede und Gegensätze zwischen VW-Bus und Schlittenrudel. Beuys’ Sympathie lag eindeutig beim Schlittenrudel. Auf jedem Schlitten befindet sich eine Wolldecke, eine Dose Fett und eine Stablampe. Decke und Fett erklärte Beuys mit einem Flugzeugabsturz des Künstlers über der Krim. Er sei von Krim-Tataren gerettet, mit Fett eingerieben und in wärmende Decken gehüllt worden.

Werkanekdoten zur Analyse: Beuys’ Anthropologie

Erwiesen sei aber, dass diese Geschichte falsch ist. Warum hat Beuys gelogen? Schneider meint: „Meine These ist, dass in der Geschichte ein Ansatz für die Interpretation des Werkes und sein Umgang mit Fett ist. Beuys hat viele Geschichten erzählt. Er hat kein Manifest der Kunst geschrieben und erklärte seine Kunst mit Anekdoten.“

Beuys sei ein großer Anhänger von Schamanismus gewesen. Die Geschichte sei ein Beispiel für den suggestiven Prozess der Genesung, den nicht zu leugnenden Placebo-Effekt vieler Medikamente. Beuys will hinweisen auf die unbewussten Kräfte, die im Menschen angesiedelt sind. Die helfen bei der Heilung ebenso stark wie die rationalen Kräfte, also die klassische Medizin. Deshalb habe das Schlittenrudel beides gepackt: sehr moderne und gleichzeitig archaische Hilfsmittel. Beides ist laut Beuys entscheidend für die erfolgreiche Bewältigung der von ihm vermuteten bevorstehenden Kälteperiode.

Es ging dem Künstler darum, wie man das Rationale und das Irrationale bzw. die Intuitionen ergänzend miteinander vereinen kann. In Beuys’ Betrachtung sind die intuitiven Kräfte im Menschen im Laufe der Zeit verkümmert. Das führe zu Verhärtungen und Verkrustungen in den Gesellschaften.

Element 3: Heilung jenseits von Ratio und Intuitio

Das zweite Werk, das Schneider vorstellte, war die Fluxus-Aktion „Manresa“ 1966. Dazu blickte der Referent zurück auf die Jugend von Beuys im Dritten Reich und anfängliche erfolglose und den Künstler in tiefe Krisen stürzende künstlerische Versuche. Dann wurden die sogenannten Fluxus-Aktionen modern, das waren improvisierte Theaterstücke. Die Aktion war die Kunst, es gab keine übrig bleibenden verwertbaren Gegenstände. Yoko Ono, die Frau des Beatles-Sängers John Lennon, gehörte ebenfalls dieser Gruppe an. Die meisten Aktionen wurden zu dritt durchgeführt. Beuys letzte Aktion machte er allerdings alleine. Bei Manresa verwendete Beuys ein Halbkreuz und eine Holzkiste mit technischen Geräten darin sowie Hasenohren und Gedärmen von Hasen. Das Kreuz wurde malerisch vervollständigt. Die Rede ist auch von einem Element 3, das es aber gar nicht gab. Element 3 waren Tonaufnahmen mit Sätzen von Beuys, zum Beispiel sagte er: „Wo ist Element 3?“ Die ganze Aktion dauerte zweieinhalb Stunden. Es sollte etwas geheilt werden, nämlich das Kreuz, das vervollständigt werden sollte. Dabei verwendete Beuys etliche schamanische Handlungen, zum Beispiel wurden die Hasenohren elektrisch aufgeladen.

Schneiders Interpretation der Aktion ist: „Ein Jesuitenpater namens Mennekes hat etwas sehr Schlaues über diese Aktion geschrieben. Auch hier ist es Beuys wieder um das Ineinklangbringen von Intuition und Rationalität gegangen. Eine gewisse Ironie dabei ist nicht von der Hand zu weisen. Auch in anderen Werken beschäftigte sich Beuys mit dem christlichen Glauben und dem starken Anteil an Rationalität darin. Nur in Europa kam es zu einer technischen Explosion nach der Zeit der Aufklärung. Das hat es weder im Hinduismus noch im Islamismus gegeben.“ Um Rationalität und Intuition zusammen zu bringen, braucht es das Element 3. Mennekes sagt dazu: „Die Lösung liegt im Titel. Manresa erinnere an die Geschichte eines berühmten Mannes in Spanien, der in der Einsiedelei Visionen hatte. Mit der Überwindung der persönlichen Krise heilte er auch die gesellschaftliche Krise. Er begründete die Gegenreformation und rettete damit den katholischen Glauben. Am Ende sind es die Herzenskräfte bzw. die Empathie, die das Element 3 darstellen und Ratio und Intuition zusammen bringen können. Denn nur so kann jegliche Überbetonung eines Elements verhindert werden, die unweigerlich zur Katastrophe führt.“

Ein Ort für die Kunst

Maßgeblich beteiligt an der Gründung der Kunsthalle und dem Betrieb der Stiftung Historica ist das Ehepaar Bernhilde und Gilbert Skrebutis. Die beiden machten sich am Beuys-Abend als Servicekräfte für Getränke und den kleinen Imbiss nützlich. Der Kunstverein Montabaur nutzt die Kunsthalle für Ausstellungen und Veranstaltungen der verschiedensten Art. Auch wird hier Malunterricht erteilt. Dem Kunstverein gehören rund 25 Künstler an. Am Freitag, 20. Oktober tritt die Mannheimer Saxofonistin Alexandra Lehmler mit Kollegen in der Kunsthalle auf, Paehlerstraße 2, Beginn 19.30 Uhr.