Kantatengottesdienst lockte zahlreiche Besucher in die Martin-Luther-Kirche, Bad Neuenahr

Klänge aus Luthers Feder

Klänge aus Luthers Feder

Zwei Violinen, eine Truhenorgel und vier Singstimmen. Das Ensemble beim Kantatengottesdienst überzeugte mit tiefgründigen Texten und neuartigen Interpretationen. Foto: -SEL-

Bad Neuenahr. 500 Jahre ist es her, dass Martin Luther seine 95 Thesen an die Schlosskirche in Wittenberg hämmerte. Die evangelische Kirchengemeinde Bad Neuenahr begeht diesen Anlass schon das gesamte Kirchenjahr über auf vielfältige Weise. So fand am vergangenen Sonntag ein Kantatengottesdienst in der Martin-Luther-Kirche in Bad Neuenahr statt, in dessen Mittelpunkt die Kantate „Erhalt uns Herr bei deinem Wort“ stand.

Musikalisch wurden die zahlreichen Gottesdienstbesucher vom Vokalquartett der Evangelischen Kantorei durch das Programm geführt. Das waren: Andrea Stenzel (Sopran), Sabine Dicke (Alt), Harmen Eckert (Tenor) und Matthias Gampe (Bass). Begleitet wurden die vier Sänger durch Bettina von Dombois und Klaus Bona auf der Violine. Christoph Anselm Noll wechselte zwischen der klassischen Kirchenorgel und der Truhenorgel.

„Erhalt uns Herr bei deinem Wort.“ Die Choralkantate von dem Barockkomponisten Dietrich Buxtehude verbindet zwei Stücke aus der Feder Luthers. Das ist zum einen „Verleih uns Frieden gnädiglich“, welches Andrea Stenzel und Sabine Dicke begleitet von den Violinen interpretierten. Es ein hoffnungsfrohes Stück des jungen Luthers. Ganz anders die Komposition „Erhalt uns Herr bei deinem Wort“. Luther verfasste sie drei Jahre vor seinem Tod. Buxtehudes Interpretation der Luthertexte hörten die Gottesdienstbesucher in zwei verschiedenen Orgelversionen: eine kräftig, die andere zart, fast als wolle Christoph Anselm Noll die gespaltene Persönlichkeit Luthers spiegeln, die Pfarrer Wilfried Glabach in seiner Predigt schildert. Glabach beweist Mut zur Lücke und erzählt unbekanntes aus dem Leben des großen Reformators. Er zeichnet das Bild eines Mannes mit großen Visionen, den Depressionen und Ängste in seinem Leben aufgesucht haben, immer getrieben von der Frage „Wohin gehen, wenn der Boden unter den Füßen schwimmt, die eigene Bitterkeit an den Kräften zehrt und fake News das Handeln der Mitmenschen bestimmen?“ Luther fand seine Antwort in den Zeilen, die er an Gott richtet. Entstanden in chaotischen Zeiten, verfasst von einem verzweifelten Reformator, der Appell an Gottes Wort und die Erinnerung an ihre Stärke. Für Wilfried Glabach sind Luthers Zeilen „das berühmteste und berüchtigtste Lied der Reformation.“

Neben der Kantate von Buxtehude überzeugten die Musiker mit einem Händel-Allegro vom Feinsten und ungewöhnlicher Interpretationen traditioneller Kirchenlieder wie der Kyrie. Abgerundet wurde der Gottesdienst von den Lesungen der Lektorin Ute Wallat. Ihre Zitation aus dem Matthäus-Evangelium stand unter dem Thema der Nächstenliebe oder soll ich sagen der Feindesliebe. Die Gottesdienstbesucher werden den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen.