Kolumne (67)

Matronenheiligtum und merowingerzeitliche Gräber in Odendorf

Matronenheiligtum und merowingerzeitliche Gräber in Odendorf

Basilika Eingangsseite mit Ansatz einer Innenstütze. Foto: F. Rumscheid

Matronenheiligtum und merowingerzeitliche Gräber in Odendorf

Replik eines Weihealtars gestiftet von Gaius Severinius Candidus, römischer Bürger. Eingelassen in die Mauer vor der alten Pfarrkirche St. Peter und Paul in Odendorf. Foto: Verein Zehnthaus

Odendorf/Essig. Auf einem Feld am östlichen Ortsrand von Odendorf fanden 2015 und 2019 mit zehn bzw. 15 Studierenden zwei vierwöchige Lehrgrabungen der Universität Bonn statt, die in Kooperation mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) durchgeführt wurden. Der Platz schien uns interessant, weil auf einem älteren LVR-Luftbild Grundriss-Strukturen zu erkennen und zudem bei Begehungen durch Dirk Tomalak, einen ehrenamtlichen Mitarbeiter des LVR, auffällig viele Scherben römischer Gefäße gefunden worden waren.

Wie ich im Rahmen eines vom Verein Zehnthaus organisierten Vortrages am 10. April 2024 in Odendorf ausführlicher berichtet habe, wurden in mehreren unterschiedlich großen Grabungsschnitten vier römische Bauten sowie zwei Gräben und einige Bestattungen aus dem frühen Mittelalter nachgewiesen. Nachdem nun außer den Bodenbefunden auch die entdeckten Münzen, lateinischen Inschriften, skulptierten Steinfragmente sowie die Gefäßkeramik ausgewertet und die menschlichen Knochen durch Prof. Wolf-Rüdiger Teegen (LMU München) analysiert sind, lässt sich die Nutzungsgeschichte des Platzes wie folgt rekonstruieren:

Frühestens irgendwann in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. wurde der Platz als Heiligtum der Matronen eingerichtet, einer Dreiheit von Muttergottheiten, die in der Provinz Niedergermanien von Römern und Ubiern gemeinsam verehrt wurde. Mit dem Platz sind nun auch zwei Altarsteine zu verbinden, die den Matronae mit dem germanischen Beinamen Aserecinehae geweiht sind. Abgüsse der Steine, die bereits im späten 19. Jahrhundert bei Odendorf gefunden wurden, sind in der Nähe des dortigen Zehnthauses zu sehen.

Wann und gegebenenfalls in welcher Reihenfolge die vier Bauten errichtet wurden, ist nicht sicher zu sagen. Das dreischiffige, mit einem Obergaden versehene Gebäude 1 hatte einen quadratischen Grundriss von etwa 50 römischen Fuß (knapp 15 m) Seitenlänge. Diese Basilika, deren Innenwände in wohl einfacher Weise, aber immerhin mehrfarbig dekoriert waren, diente einer engen Parallele im Matronenheiligtum von Nöthen zufolge wohl als Versammlungsbau. Zusammen mit dem kleinen Rechteckbau 2 daneben – vielleicht einer Art Aedicula (Tempelchen) zur Behausung einer Kultbildgruppe - stand Gebäude 1 im rechten Winkel zum Versorgungsbau 3 und gegenüber von Baustruktur 4. Die vier Bauten säumten also denselben Platz, so dass sie zumindest eine Zeitlang gemeinsam

gestanden haben werden.

Im Heiligtum wurden den Matronen beschriftete und mit figürlichen Reliefs versehene Weihaltäre und vielleicht auch andere Kleinmonumente meist aus Kalk-, seltener aus Sandstein aufgestellt. Wie die Arten der aus regionaler Produktion stammenden Tongefäße zeigen, wurde im Heiligtum, wie es für viele antike Kulte bekannt ist, im Rahmen von Kultfeiern Essen zubereitet und verzehrt, außerdem gemeinsam getrunken.

Frank Rumscheid, Professor für Klassische Archäologie, Universität Bonn