Vierter Verhandlungstag im Fall Niklas P. vor dem Jugendschwurgericht in Bonn

Mitangeklagter Roman W. soll weiteren Zeugen massiv bedroht haben

Zwei Zeugen haben Walid S. gar nicht erkannt, ein dritter ist sich nur noch zu 60 Prozent sicher

Mitangeklagter Roman W. soll weiteren Zeugen massiv bedroht haben

Walid S. im hellblauen Hemd und Roman W. in dunkler Jacke neben ihren Verteidigern. Foto: DL

13.02.2017 - 14:00

Bonn. Nicht viel weitergekommen war das Landgericht Bonn beim Verfahren gegen Roman W. am dritten Prozesstag um den Tod des Schülers Niklas P. Verhandelt worden war am ersten Freitag im Februar eine Zeugenbedrohung, die am 11. September von dem 21-jährigen Angeklagten ausgegangen sein soll. Roman W. soll einen 29-Jährigen im Niklas-Fall zusammengeschlagen haben, weil dieser ihn mit der Tat in Zusammenhang gebracht hatte. Rechtsanwalt Peter Krieger hatte für seinen Mandanten bei der Prozesseröffnung ausgeführt, Roman W. habe dem 29-Jährigen nach einem Wortgefecht lediglich eine Ohrfeige gegeben, sodass dieser hingefallen sei. Danach habe er lediglich so etwas gesagt wie: „Komm hoch, wehr dich!“ Getreten oder gar mit Mord gedroht habe sein Mandant auf keinen Fall. Dagegen erklärte der 29-Jährige, Roman W. habe ihn als Verräter und Zinker bezeichnet und sofort zugeschlagen, nachdem er ihm vorgeworfen habe, dass er seinen Namen bei der Polizei genannt habe. Am Boden liegend, sei er dann auch noch fünf bis sechsmal getreten worden.


Zeuge wurde eingeschüchtert und verweigerte Aussage


Ein offensichtlich verängstigter Zeuge, der eine Woche vor dem Vorfall am Godesberger Rondell in der Nacht vom 6. auf den 7. Mai vom Roman W. brutal zusammengeschlagen worden sein soll, verweigerte standhaft die Aussage trotz der Androhung, dass ihm dann ein Verfahren wegen Falschaussage drohe. Mitte voriger Woche, am vierten Prozesstag, der wieder in den großen Saal verlegt worden war, der durch eine Schleuse gesichert ist, gestand er den der Grund für seine Panik.

Er war gemeinsam mit Roman W. von der Justizvollzugsanstalt (JVA) Köln nach Bonn verfrachtet worden, worauf der 21-jährige Angeklagte die Chance genutzt habe, ihn auf dem Weg zum Prozess im Bonner Landgericht einzuschüchtern. Aussagen sollte der Zeuge, was er über die Schlägerei am Hauptbahnhof wisse, bei der Walid S. mit einer Jägermeister-Flasche zugeschlagen haben soll. Roman W. habe ihm aber eindringlich „empfohlen“, im Prozess doch besser den Mund zu halten.


Was war wirklich geschehen?


Auch wenn diese „Nebenschauplätze“ ein genaueres Licht auf die beiden Angeklagten werfen, wirklich interessiert waren die Zuhörer am vierten Prozesstag lediglich an dem Geschehen am Godesberger Rondell. Dazu befragten Richter Volker Kunkel und seine beiden Beisitzerinnen, die Richterinnen Saskia Wielpütz und Verena Grimm, zunächst den 42-jährigen Peter F. aus Bad Godesberg, der mit seinem 26-jährigen Freund Lukas H. in besagter Nacht vom Konzert in der Rheinaue kommend zur Haltestelle der Linie 855 an der Rheinallee gegangen war, mit dem sein Kumpel nach Hause fahren wollte „Schon auf dem Weg zur Haltestelle ist uns die Gruppe Jugendlicher am Rondell aufgefallen, um die wir intuitiv einen Bogen gemacht haben“, so der Zeuge. Dann hätten sie aus 20 bis 25 Meter Entfernung den Streit zwischen je zwei jungen Männern Mitten auf der Straße verfolgen können, an sich eher ein Wortgefecht mit leichter Schubserei. „Die Situation schien eigentlich schon bereinigt, als plötzlich ein Dritter vom Rondell dazugekommen ist, zugeschlagen und sofort getreten hat“, so der 42-Jährige. Wohin der Schlag genau gegangen sei, könne er nicht sagen, auf jeden Fall aber Richtung Kopf. Niklas sei sofort in sich zusammengesackt und zu Boden gegangen. Den Schläger und die anderen Leute vom Rondell könne er nicht näher beschreiben, da diese sofort weggelaufen seien. Sicher sei er nur, dass einer von ihnen eine weiße Hose und eine weiße Jacke getragen habe. Am Tatort angekommen habe er sofort die 112 angerufen. Von dem Versuche eines weiteren Mannes, den am Boden Liegenden zu treten, habe er nichts mitbekommen.


Nach Schockstarre zugetreten


„Gab es bei Ihrer Ankunft noch ein Lebenszeichen von Niklas?“, wollte Staatsanwalt Florian Geßler wissen. Der 17-Jährige habe noch geatmet, aber aus Mund und Nase geblutet, musste Niklas‘ Mutter, Denise Pöhler mitanhören. Der Notarzt sei nach etwa vier Minuten eingetroffen, die Polizei noch etwas früher. „Da mein Freund seinen Bus verpasst hatte, sind wir zunächst zu mir gegangen. Dort sind wir dann von der Polizei angerufen und nach Beuel aufs Präsidium gefahren worden, wo man uns zwei Stunden nach dem Geschehen vernommen hat“, erinnerte Peter F., dessen Aussage wenig später von seinem Freund in weiten Zügen bestätigt wurde.

Niklas sei mit seinem Kumpel und zwei Freundinnen am Rondell vorbei gekommen und in einen Streit mit einem Jugendlichen geraten. Um was es dabei gegangen sei, hätten sie nicht verstehen können wegen der zu großen Entfernung, so Lukas H.. „Das Geplänkel schien vorbei, als ein Dritter dazukam und die Fäuste in Kampfstellung hob. Nach seinem Schlag fiel Niklas um wie ein Sandsack ohne Körperspannung“, erklärte der 26-Jährige. Drei Sekunden später, wie nach einer Schockstarre, habe der Schläger zugetreten, danach sei die ganze Gruppe geflohen. Nur der Weißgekleidete, den man für Roman W. hält, habe zunächst gezögert, als ob er die Situation noch gar nicht verstanden hätte. Der Schläger sei er aber nicht gewesen, waren sich die beiden Freunde sicher. Unisono sagten sie aus, dass der Schläger und Treter zunächst nicht an der Rangelei der beiden Gruppen beteiligt gewesen, sondern zielstrebig aus dem Hintergrund hinzugekommen sei, um den Schlag und den Tritt auszuführen. Niklas habe zwar schwankend auch die Fäuste erhoben, da er einen angetrunkenen Eindruck gemacht habe, hätte er seiner Ansicht nach keine Abwehrchance gehabt“, schilderte Lukas H. die Situation auf Nachfrage der Richter. Als die beiden Freunde am Tatort angekommen seien, hätte Niklas noch Puls gehabt, am Rettungswagen dann nicht mehr. Genauere Angaben zu den Leuten, die weggelaufen seien, könne er auch nicht machen.


Zeuge will Hauptverdächtigen nun erkannt haben


Eine Aussage, die der 21-jährige Walid S. sichtlich zufrieden registrierte. Immer wieder blickte der schlanke gebürtige Italiener mit marokkanischen Wurzeln, das krause Haar zu einem Dutt hochgebunden, in die Reihen der zahlreichen Prozessbeobachter, als suche er dort bekannte Gesichter, während der etwas ältere, stämmigere Mitangeklagte Roman W., mit unbewegtem Jungengesicht einen äußerlich fast teilnahmslosen Eindruck machte. Dann scheinbar die Wende: Ein lautes Raunen ging durch den Gerichtssaal, als der dritte Zeuge des Tages, ein 20-jähriger Student, fast ganz nebenbei erklärte: „Der Schlag, der Tritt - das war er“, und dabei mit dem Kopf auf den Hauptverdächtigen deutete. Wie die beide ersten Zeugen sei auch er zusammen mit seiner Freundin zur Bushaltestelle unterwegs gewesen, um nach Hause zu fahren. Dabei habe er Niklas mit Schwester und Freundin sowie zwei Freunden gesehen. Dann sei es zu einem lauten Wortgefecht mit jungen Männern gekommen, die sich am Rondell aufgehalten hätten. Von denen habe einer Niklas urplötzlich einen Schlag ins Gesicht versetzt, so dass dieser wie ein nasser Sack zusammengesackt sei. Dann habe der Schläger mit dem Fuß ausgeholt wie ein Torwart beim Abschlag und voll zugetreten. Vor Ort habe er Niklas „angesprochen, aber es war, als habe er geschlafen. Auf der Erde war Blut“, berichtete der 20 Jahre alte Student. Zusammen mit den beiden anderen Männern habe er Niklas an den Straßenrand gezogen und in die stabile Seitenlage gebracht.

Diese seine Darstellung blieb nicht unwidersprochen, hatte der Student doch bei seiner ersten polizeilichen Vernehmung einen Tag nach dem Tod von Niklas erklärt, den Täter nicht beschreiben zu können, weil es zu dunkel und er zu weit entfernt gewesen sei, hielt Rechtsanwalt Martin Kretschmer dem Zeugen vor. Erst bei einer zweitem Vernehmung im August, als man ihm acht Fotos von potenziellen Tätern vorgelegt hatte, habe er den inzwischen inhaftierten Walid S. als Schläger und Treter bezeichnet. Anhand der Fotografien sei er hundertprozentig sicher und auch im Gerichtssaal würde er ihn wegen seiner markanten Gesichtszüge, seiner Frisur und dem ganzen Erscheinungsbild wiedererkennen, so der Student.


„Die schlimmste Nacht meines Lebens“


Am 13. Mai sei er, die Situation rund um den am Boden liegenden Niklas uns seine verzweifelte Schwester vor Augen, immer noch viel zu betroffen gewesen. „Ein 17-Jähriger hat sein Leben verloren und ich war dabei. Das war die schlimmste Nacht meines Lebens“, beschrieb er seine Erschütterung. Für den Verteidiger keine Erklärung dafür, dass der Student sich Monate später besser an Einzelheiten erinnern können will, als gut eine Woche nach dem Vorfall. So bezweifelte Martin Kretschmer, dass der Zeuge in der Lage sei, zwischen tatsächlich Erlebtem und seinem Wissen aus Presseberichten und Beschreibungen seines Mandanten unterscheiden zu können. Sein Nachhaken hatte Erfolg. „Wenn Sie mich jetzt so fragen, kann ich nur sagen: Ich bin mir zu 60 Prozent sicher“, erklärte der Student, so dass Walid S. damit bislang nicht zweifelsfrei als Täter identifiziert worden ist.

DL

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