Beitrag zur Heimatgeschichte

Schwerstarbeit mit dem Kopf

Schwerstarbeit mit dem Kopf

Das Motiv zeigt eine Frau, die das Futter für das Vieh auf dem Kopf nach Hause trägt. Dabei sind die Kinder, die beim Grassammeln eine wichtige Hilfe waren. privat

Schwerstarbeit mit dem Kopf

Mit der Sichel wurde das Gras geschnitten.

Bad Neuenahr-Ahrweiler. Hinter dieser Überschrift könnte man auf den ersten Blick Zeilen über Dichter und Denker oder Rechenkünstler vermuten. Aber derartige Kopfarbeit ist nicht gemeint. Hier soll über die schwere Arbeit von Eifeler Landfrauen berichtet werden, die in früheren Zeiten vom Frühjahr bis in den Sommer für ihr Vieh das Futter auf dem Kopf nach Hause tragen mussten. Wenn der Winter seine Strenge verlor und die ersten blühenden Frühlingsvorboten ihre Köpfe gegen die warme Aprilsonne richteten, gingen für Mensch und Tier die Wintervorräte zur Neige.

Das Futter wurde knapp

Das Heu für das Rindvieh war in der Scheune auf ein kleines Häufchen geschrumpft, obwohl man es den ganzen Winter über mit Stroh gestreckt hatte. Auch der Bestand an „Kollerave“ (Kohlrüben) hatte schon deutlich abgenommen. Von fetten Wiesen und meterhohem Gras - wie man es heute fast auf allen gedüngten Wiesen sehen kann - konnte man früher nur träumen. Lediglich auf der Grafschaft, wo die Bodenverhältnisse mindestens doppelt so gut waren wie in den Höhenlagen der Eifel, hatten die Wiesen hohes Gras und eine sattgrüne Farbe. Handelsdünger (volkstümlich „Kunstdünger“) gab es zwar auch schon, aber für die Eifelbauern war dieser unerschwinglich. Die einzigen Düngegaben für die Wiesen waren das Streuen von der über den Winter gesammelten Holzasche aus Herd und Öfen und dem „Backes“ und vielleicht etwas Hühnermist. Dementsprechend fiel auch die Grasmenge und -qualität aus. Zum Füttern war das Wiesengras jedenfalls viel zu schade, denn für den nächsten Winter wurde Heu gebraucht. Dennoch galt es, täglich Futter herbeizuschaffen, um die noch vorhandenen Vorräte weiter zu strecken, und das war Frauenarbeit.

Mit Krauttuch und Sichel

unterwegs

An Böschungen, Wegrändern und im Wald wurde mit der „Kromm“ (Sichel) Gras geschnitten („krogge oder kraude“ genannt). Abends zuvor hatte der Mann oder einer der erwachsenen Söhne „die Kromm jeklopp“ (die Sichel gedengelt). Am Morgen, wenn das Vieh in den Ställen versorgt war, brachen die Frauen zum „Krogge“ auf. Meistens trafen sich zwei oder drei Frauen aus der Nachbarschaft und gingen gemeinsam los. Kinder kamen auch mit, wenn die Schule aus war. Außer der „Kromm“ nahmen die Frauen noch einen Schleifstein und das „Kroutdooch“ (Krauttuch) mit. Mit dem Schleifstein wurde die Sichel hin und wieder nachgeschliffen. Verletzungen an Händen und Fingern blieben dabei nicht aus. Narben erinnern später noch die Frauen an die Zeiten, in denen sie als junge Mädchen die Sicheln schwingen mussten. Das Krauttuch war meist ein aufgeschnittener Kartoffeljutesack, mit Bändern an den Ecken zum Zubinden. Es wurde vor Ort rucksackartig auf den Rücken gebunden. So waren die Hände frei zum Grasschneiden. Die abgeschnittenen Büschel wurden seitlich in die entstandenen Öffnungen des Krauttuchs gestopft. War es voll, so schütteten die Sammlerinnen den Inhalt auf einen Haufen, der dann „Schütte“ genannt wurde. Vier „Schütten“ waren „en Büed“ (eine Bürde).

Kinderhände halfen der Mutter

Die Kinder halfen, indem sie Gras mit den Händen rupften und bei der Mutter ins Krauttuch stopften. Der Grashaufen musste büschelweise auf dem Krauttuch geschichtet werden. Dazu hatte jede Frau eine eigene Technik. Nach dem diagonalen Binden mit den Bändern war die „Büed“ fertig. Sie war so schwer, dass die Trägerin Hilfe brauchte, um sie auf ihren Kopf zu heben. Hatten alle „ihr Büed parat“, traten sie gemeinsam den Heimweg an. Nur ein- oder zweimal gab es zwischendurch eine Rast. Manche Frauen gingen nachmittags noch einmal los. Wieder folgte die gleiche Prozedur wie am Morgen. Man kann sich gut vorstellen, dass die Frauen erleichtert waren, wenn etwa nach Pfingsten der erste Klee als Grünfutter gemäht werden konnte oder die Bauern den noch grünen Roggen, der auf einem Feld extra als Futter gesät worden war, heimfuhren. Man kann davon ausgehen, dass sich dieser Teil des Landlebens in vielen Eifeldörfern so oder ähnlich abspielte und das Futter für das Vieh von fleißigen „Krogge-Frauen“ auf dem Kopf nach Hause getragen wurde. Jedenfalls brauchten die Frauen damals nicht zu joggen, um fit zu bleiben. Wenn heute junge Mädchen über dieses oder jenes „Wehwehchen“ klagen, bemerken die Älteren noch gelegentlich: „Ihr hättet früher mit uns Krogge gehen müssen“.