Hochwasser und Starkregen

Nachhaltiger Schutzdurch ein komplexes Rückhaltesystem

Oedingen. Der Starkregen in der Rhein-Ahrregion am 4. Juni 2016 hat betroffene Bürger, Behörden und Fachwelt aufgerüttelt. Es wurden Hochwasserschutzkonzepte initiiert, die künftige Schäden vermindern sollen.

Dieser Erwartung und Zielsetzung können sie allerdings nur entsprechen, wenn sie nachhaltig sind (ökologisch, ökonomisch, sozial). Bezogen auf diesen Problemkreis bedeutet ökologisch vor allem: Rückhaltung statt Durchleitung. Ökonomisch sind die Maßnahmen, die mit geringem finanziellem Aufwand große Wassermassen abwehren und sozial ist eine Finanzierung zwar auch über Eigenbeteiligung der Bürger, vor allem aber über öffentliche Mittel, denn (nur) Rückhaltung dient vielen Unterliegern, also dem Gemeinwohl.

Ökologie:

Rückhaltung vor Durchleitung

Hochwasserschutzkonzepte werden von Gemeinden erstellt. Die Gemeinden sind bisher herausgefordert, sich so gut zu schützen, wie es geht und das Flutwasser weiterzuleiten. Und „nach mir kommt (gemäß dieses Ansatzes) die Sintflut“ – für Unterlieger.

D. h., es ist zwar grundsätzlich richtig, dass Gemeinden sich durch Gräben/Wälle vor dem Zustrom von Fremdwasser schützen. Es ist aber nicht hinreichend, denn „die nächste Flut kommt bestimmt“ und Unterlieger werden nicht entlastet, sondern erhalten „abgeleitetes Wasser“ u. U. noch schneller und konzentrierter. Das Flutwasser muss also (wenn es nicht zurückgehalten wird) wieder und wieder an vielen Stationen seines langen Marsches, ehe es sich ins große Bett von Vater Rhein begibt, abgewehrt werden. Das ist keine sachgerechte Strategie!!!

Vielmehr muss Starkregen nach Möglichkeit dort zurückgehalten werden, wo er von der Fläche abfließt. Dieser wichtigste Aspekt spielt in der Planung bisher aber nur eine untergeordnete Rolle.

Der Abfluss erfolgt im Wesentlichen von hängigen Ackerflächen (gelbe Flut), die durch abflussfördernde Kulturen (z.B. Mais, Rüben, u.U. Erdbeeren, Gewächshauskulturen) genutzt werden. Grünland und Wald liefern i.A.

deutlich weniger Abfluss. Deshalb muss Acker künftig vor übermäßigem Abfluss wirksamer geschützt werden. Das kann geschehen durch die Wahl erosionsschonender Kulturen und erosionsschonende Bewirtschaftung (u.a. hangparallele, reduzierte Bearbeitung). Durch Optimierungen dieser Maßnahmen können etwa 20 mm Starkregen gegenüber der herkömmlichen Bewirtschaftung in den meisten Situationen zusätzlich zurückgehalten werden. Weitere 20 mm sind durch „Feldpolder“ (an gefährdeten Positionen) zurückzuhalten.

Dazu sind an der Unterseite gefährdeter Äcker (vor allem in Straßen- und Siedlungsnähe) kleine Erdwälle, seitlich etwas hochgezogen, anzulegen, so dass kleine Kurzzeitspeicher entstehen. In naheliegenden (zu renaturierenden Auen) sind weitere kleine kaskadenförmige Speicher zu schaffen, so dass es nicht unrealistisch ist, in den meisten bedrohten Einzugsgebieten über 60 mm der Starkregen zurückzuhalten, also zu neutralisieren.

Durch diese Maßnahmen verbleibt auch mehr benötigtes Wasser (Trockenzeiten) in der Landschaft. Rückhaltemaßnahmen schützen zugleich den Acker vor Erosion und die Gewässer vor Eutrophierung und Schadstoffzufuhr, so dass sie einen „Kollateralnutzen“ für Landwirte, Gesellschaft und Natur haben – und für unser Aller Geldbeutel.

Ökonomie: Dezentrale,

ökologische Maßnahmen

sind kostengünstig

Die Schäden der Starkregen waren groß, Vorsorgemaßnahmen sind teuer. Daher sind die erforderlichen Mittel effizient einzusetzen. Wenn die Kommunen das Wasser ihres Einzugsgebietes großenteils zurückhalten, kann es Unterliegende nicht mehr schädigen. D. h., Rückhaltung ist (regional betrachtet) die effizienteste Vorsorge. Sie dient dem Gemeinwohl und verdient – wenn nicht die alleinige – so doch die höchste öffentliche Förderung.

Rückhaltemaßnahmen auf Äckern und in kleinen Auenbecken sind je m3 Speichervolumen auch deutlich günstiger, als der Bau von großen Rückhaltebecken, Schutzmauern, Spundwänden oder gar Untertunnelungen von Bahngleisen (für 10 Mio. Euro in Mehlem) und viele weitere „Objektschutz-Maßnahmen“. Da Rückhaltung aus ökologischer wie ökonomischer Sicht im Wesentlichen durch die Landwirtschaft zu geschehen hat, (die Ackerfläche ist mindestens fünfmal größer als die Siedlungsfläche und liefert bei derzeitiger Bewirtschaftung je Flächeneinheit fast gleichviel Abfluss), hat die Agrarverwaltung unmissverständlich zu klären, welche Mehraufwendungen den Landwirten zu entschädigen sind und welche sie aufgrund der bestehenden Rechtsgrundlagen schon heute zu erbringen haben/hätten und wo es dringenden Handlungsbedarf gibt. Denn ohne stärkere Einbindung der Landbewirtschaftung in die Hochwasserschutzbemühungen/Konzepte als bisher, kann es keinen effizienten umfassenden nachhaltigen Hochwasser-und Starkregenschutz geben. Eile ist geboten, damit die behördlich vorgesehenen Konzeptionen/Gutachten ins Zentrum (Rückhaltung) vorstoßen und sich nicht nur an peripheren Erscheinungen (Sandsäcke und Warnmeldungen) abarbeiten. Details können hier nicht ausgebreitet werden, sind aber an anderer Stelle mitgeteilt worden.

In den Orten selbst sind durch Bürger und Kommunen selbstverständlich ebenfalls Schutzvorkehrungen gegen „Restwasser“ und überfließendes Kanalwasser zu treffen und Rückhaltemöglichkeiten zu nutzen. Wichtig ist vor allem, Anlieger von überspülten „Hochwasser-Straßen, z.B. durch kleine Mauern als Einfriedigung und Sicherung der Einfahrten zu schützen, auch, damit der übrige Ort verschont bleibt.

Soziale Aspekte

Weder einzelne Bürger noch einzelne Kommunen können sich gegen Sturzfluten umfassend schützen. Selbsthilfemaßnahmen werden von Kommunen empfohlen (sind gut und günstig - und wohlfeil) und werden von Bürgern ohnehin durchgeführt. Eine einzelne Kommune kann ebenfalls nicht unabhängig planen und handeln, da ihre Grenzen nicht mit denen der Einzugsgebiete zusammenfallen. Hochwasserschutzkonzepte sind also überörtlich abzustimmen. Rückhaltung zugunsten der Unterlieger muss ehernes Prinzip und besonders gefördert werden, denn sie erbringt einen Nutzen für die Gesellschaft.

Ausblick

Sturzregen bleiben angesichts des Klimawandels eine Bedrohung. Die Folgen können aber erheblich gemindert werden, wenn Rückhaltung zum obersten Prinzip der Schutzmaßnahmen erklärt und realisiert wird. Da die Landwirtschaft den größten Teil der

Fläche bewirtschaftet, hat sie die größten Möglichkeiten, die derzeit bei weitem nicht ausgeschöpft sind. Die Möglichkeiten in Schutzmaßnahmen zu verwandeln, muss eine wesentliche Zweckbestimmung der Hochwasserschutzkonzepte werden. Auch derzeit geplante ableitende Wälle und Gräben müssen hier und da Siedlungen schützen. Sie halten jedoch keinen einzigen Tropfen zurück, belasten also die Unterlieger weiterhin, sind mithin nur eine (drittklassige) Notlösung. Im Mittelpunkt der Maßnahmen muss vielmehr in allen gefährdeten Lagen die abflussmindernde Bewirtschaftung der Äcker und Obstbauflächen, einschließlich der Folienanlagen stehen. Ebenso die Rückhaltung in Feld- und Auenpoldern. Und auch die innerörtliche Sicherung, vor allem von „Starkregen-Straßen“, ist zu betreiben. Wenn auf den Feldern die Möglichkeiten der Rückhaltung durch angemessene Bewirtschaftung und Feldpolder genutzt werden, der größte Teil eines Sturzregens also abgefangen und einige Tage zwischen gespeichert wird, kann der kleine Restabfluss innerörtlich bewältigt werden.

Doch ohne großflächige landwirtschaftliche Rückhaltung haben einzelne innerörtliche Maßnahmen nur geringe reale Chancen. Ein Gutachter kann auch nicht planen, wenn er nicht weiß, wieviel Niederschlag auf den Flächen zurückgehalten wird und wieviel in Auen gespeichert werden müsste, damit seine Klienten und Unterlieger keinen Schaden erleiden. Leider findet sich in einigen zuständigen Behörden bisher nicht die Einsicht, Bereitschaft, Tatkraft oder die rechtliche Handhabe (nicht gegen die Landwirtschaft), sondern mit ihr, die gebotenen Rückhaltemaßnahmen durchzusetzen. Doch ohne gebührende Beteiligung der Landwirtschaft am Schutz vor Hochwasser und Starkregen, ohne Retention auf großen Flächen, bleiben alle übrigen Vorkehrungen „eine halbe Sache“. Daher sind Anreizsysteme zu schaffen, notfalls auch Bewirtschaftungsauflagen zu verschärfen. In jedem Falle gilt:

Retention first

Wir fassen zusammen:

1.Durch umweltschonende, Wasser rückhaltende Bewirtschaftung der Äcker und Sonderkulturen einschließlich Folienanlagen,

2.durch Feldpolder zur kurzzeitigen Zwischenspeicherung,

3.durch Auenrenaturierung und Auenpolder zur etwas längeren Rückhaltung,

4. durch innerörtliche Eigenvorsorge, Wasserrückhaltung und Sicherung gefährdeter Straßenzüge,

kurz: Durch ein

„Komplexes Oedinger Hochwasserschutz und Starkregenrückhaltesystem“

ist ein nachhaltiger Schutz der Region zu erreichen. „Rückhaltung“, nicht nur von Wasser, sondern auch von Nähr- und Schadstoffen, ist zudem ein generelles Gebot in allen Empfehlungen und Rechtsvorschriften, auch der EU. Wie wollen Behördenvertreter diesem Gebot/Auftrag entsprechen, wenn sie Wasser vom Acker weiterhin ungehindert, oder gar durch Gräben beschleunigt, abfließen lassen? Rückhaltung dient auch der Landwirtschaft und dem Umweltschutz.

Ein Euro in Rückhaltung durch angepasste/angemesse Landbewirtschaftung investiert, ist wirksamer, als fünf in (groß)technischen Objektschutz investierte Euros. Wenn alle Kommunen einen Teil des Oberflächenabflusses durch vorsorgende ökologische Maßnahmen zurückhalten, braucht keine Kommune einen exorbitant teuren technischen nachsorgenden Objektschutz zu finanzieren. Unterbleiben hingegen weiterhin wesentliche Rückhaltemaßnahmen, dann genügen die Hochwasserschutzkonzepte nicht einmal ihren eigenen Ansprüchen und Zielsetzungen. Dann bleibt uns die vielfältige Bedrohungslage erhalten. Das hier vorgestellte innovative komplexe Rückhalte-System ist folglich versuchstechnisch tatkräftig zu optimieren, weiter zu entwickeln und umzusetzen (kann auch in Starkregengebieten der Tropen eine Bodenzerstörung mindern). Oder es ist ein besseres vorzuschlagen. „Geht nicht, gilt nicht“.