Wie barrierefrei ist die Ortsgemeinde Neuhäusel?

Neuhäusel, aus der Sichteiner Rollstuhlfahrerin gesehen

Neuhäusel, aus der Sicht
einer Rollstuhlfahrerin gesehen

Uli Schmidt (Mitte, im blauen Hemd) hatte eingeladen, über die Möglichkeiten zur Verbesserung der Barrierefreiheit in Neuhäusel zu diskutieren und sich positive (hier ein Straßenübergang) wie negative Beispiele vor Ort anzusehen. -KER-

Neuhäusel, aus der Sicht
einer Rollstuhlfahrerin gesehen

Keine Chance, in die Gaststätte zu kommen: Die Treppe macht den Zugang für Rollstuhlfahrer unüberwindbar.

Neuhäusel, aus der Sicht
einer Rollstuhlfahrerin gesehen

An dem Treffen im Gemeindehaus von Neuhäusel nahmen auch der Landesbehinderten-Beauftragte Matthias Rösch (vorne) und André Stein, Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Montabaur teil.

Neuhäusel. Wie kommt man als Mensch mit Beeinträchtigung, im Rollstuhl sitzend oder mit einer Sehbehinderung in Neuhäusel über die Straße? Wie verlaufen die Spazierwege rund um den Ort oder an den Nachbarorten vorbei? Lassen sich die Bürgersteige in allen Nebenstraßen auch bei Behinderung gefahrlos benutzen? Diese und andere Fragen diskutierte im Gemeindehaus von Neuhäusel ein Kreis Betroffener mit Vertretern der Kommunalpolitik. Initiiert hatte das Treffen Uli Schmidt vom Forum Soziale Gerechtigkeit. Im Mittelpunkt stand ein Diavortrag von Thilo Knopp, der mit der Foto- und Filmkamera seine im Rollstuhl sitzende Tochter Lena durch den Ort und die umliegende Region begleitete und dabei auf kleinere wie auch größere Hindernisse aufmerksam wurde.

Zu Beginn des Treffens hatte Uli Schmidt gesagt: „Es geht nicht darum, Gemeinden in die Pfanne zu hauen, sondern beispielhaft zu schauen, was gut ist und wo noch Verbesserungsbedarf besteht.“ Diese Erfahrungen könne man dann auf andere Kommunen anwenden.

Erhebliche Hürden

für Rollstuhlfahrer

Thilo Knopp, der als Mitarbeiter der beruflichen Rehabilitation der Arbeitsagentur nicht nur im Privaten mit dem Thema Barrierefreiheit zu tun hat, erklärte, wie er auf das Thema kam: „Erst als Lena nicht mehr in die Ganztagsschule ging und mehr hier im Ort unternehmen wollte, wurden wir auf die zum Teil massiven Probleme aufmerksam, vor denen unsere Tochter stand.“ Knopp begann seinen Vortrag mit der Feststellung: „Man kann Neuhäusel nicht barrierefrei verlassen!“ Der Hauptgrund dafür ist die B49-Umgehung des Ortes. Nur an drei Stellen habe man die Möglichkeit, auf die jeweils andere Seite der Straße zu kommen. Die Kirchstraße in Neuhäusel sei für Rollstuhlfahrer überhaupt nicht passierbar.

Verbesserungsbedarf sieht er auch in den Geh- und Radwegen Richtung Kadenbach, Eitelborn, durch Binnbachtal und nach Bad Ems. Entweder gibt es an manchen Stellen überhaupt keine Flächen abseits der Straße, oder sie hören plötzlich auf oder die Wege sind in einem so schlechten Zustand, dass Rollstuhlfahrer befürchten müssten umzukippen. Thilo Knopp zeigte ein Video seiner Tochter, als sie einen Schotterweg befährt. Das körperlich behinderte Mädchen wird beim Befahren des Weges massiv im Rollstuhl hin- und hergeschüttelt. Bei allen Bemühungen zur Barrierefreiheit müsse man außer an die körperlich behinderten Menschen auch an die mit Sehbehinderungen, Hörbehinderungen, psychischen Beeinträchtigungen und geistigen Beeinträchtigungen denken.

Einkaufen geht; Urlaub nicht

Als vorbildlich erwähnte Thilo Knopp den neu eingerichteten Zeitungskiosk in Neuhäusel, zu dem nicht eine für Behinderte unüberwindliche Treppe führt, sondern eine leicht begeh- und befahrbare Rampe. Auch der Zugang zu den Einkaufsmöglichkeiten, zu Banken und Apotheken ließe sich gut bewältigen. Große Defizite weisen laut Knopp in Neuhäusel die Hotel- und Gaststättenbetriebe auf. Hier stellen sich zum Beispiel den Rollstuhlfahrern unüberwindliche Eingangstreppen in den Weg. Auch einige Ärzte seien nicht barrierefrei zu erreichen. Als ein vorbildliches Neubaugebiet wurde die Straße „Am Stadion“ in Neuhäusel/Eitelborn erwähnt.

Neuhäusel will feinfühliger werden

Der Vater der behinderten Tochter zeigte nicht nur Missstände auf, sondern machte auch Verbesserungsvorschläge, zum Beispiel an der B49. Vieles davon ließe sich mit wenig Aufwand umsetzen. Ortsbürgermeister Werner Christmann, der trotz Urlaub an dem Treffen teilnahm, sagte, einige dieser Verbesserungsvorschläge habe er schon an den Landrat weitergeleitet. Manches liege auch auf Eitelborner Gebiet, weshalb die Gemeinde Neuhäusel darauf keinen Einfluss nehmen könne. Der Ortsbürgermeister zog am Ende der Besprechung das Fazit: „Wir werden feinfühliger und hellhöriger, was das Thema Barrierefreiheit angeht!“

Impuls für einen

barrierefreien Westerwald

Uli Schmidt sieht in dem Treffen in Neuhäusel den Anfang einer größeren Initiative. Zu BLICK aktuell sagte er: „Nachdem das heute sehr überzeugend war und auch sein wird, muss versucht werden diese Themen in die Fläche zu tragen, also in die anderen Ortsgemeinden. Das kann man am besten über die Verbandsgemeinde machen, also über den Verbandsgemeinderat Montabaur. Ich kann mir vorstellen, dass wir es da auf die Tagesordnung setzen und beraten und versuchen, mit einem Vortrag wie vorhin die Ratsmitglieder zu überzeugen. Das könnte im Ergebnis so sein, dass wir einen Leitfaden erstellen mit dem Titel Barrierefreie Gemeinden in der VG Montabaur oder für den ganzen Westerwaldkreis und dass man dann versucht, die Dinge nach und nach umzusetzen. Vielleicht gründet man auch eine Arbeitsgruppe, die das Ganze im Blick hat. Da ist schon sehr vieles möglich. Es geht ja nicht nur um diejenigen, die mit dem Rollstuhl fahren. Wir haben ja auch sehr viele ältere Menschen in den Ortsgemeinden oder die mit dem Rollator unterwegs sind. Das Thema Barrierefreiheit ist auch in der Landespolitik sehr hoch angesiedelt. Die soll jetzt in den 2.300 Ortsgemeinden im Land stärker in den Fokus genommen werden. Nach dem Tag heute glaube ich, dass wir da ein gutes Stück voran kommen. Alle sind sehr interessiert an dem Thema. Ich glaube, da finden wir viele im Westerwaldkreis, die sich dafür engagieren und mitmachen.“