Heinrich-Haus Neuwied

Wenn Fußballeran der langen Leine spielen

Wenn Fußballer
an der langen Leine spielen

Nicolas Odenbach ist der Chef-Organisator der Menschenkicker-Aktion. Er kann stolz darauf sein, dass sich die Veranstaltung seit 2013 Jahr für Jahr größerer Beliebtheit erfreut. privat

Wenn Fußballer
an der langen Leine spielen

Der Grad der Behinderung spielt fast keine Rolle. Als Torwart können auch Rollstuhlfahrer beim Menschenkicker mitmachen.

Wenn Fußballer
an der langen Leine spielen

Nicht nur das Fußballspielen, auch Showtalent liegt Joshua Karmara im Blut. Er feiert seine Tore schwungvoll.

Engers. Sportliche Betätigung ist auch – oder gerade – für Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Beeinträchtigungen von großer Bedeutung. Wichtig ist nur, dass die Sportarten entsprechend behindertengerecht gestaltet werden. Eine höchst charmante Form des Wettkampfs hat das Neuwieder Heinrich-Haus in den vergangenen Jahren etabliert. „Menschenkicker“ heißt die Aktion, bei der Sportler als lebende Tischfußball-Figuren antreten. Im Jahr 2013 starteten Chef-Organisator Nicolas Odenbach und seine Mitstreiter das Experiment mit zehn teilnehmenden Mannschaften. Im fünften Jahr hat sich die Zahl der Teams, die sich zwischen den Gummiwänden um einen Fußball streiten, bereits verdoppelt. Inzwischen fungiert der Behinderten- und Rehabilitationssport-Verband Rheinland-Pfalz (BSV) als Ausrichter.

Spaß steht im Vordergrund

Rund 300 Frauen und Männer fast aller Altersklassen haben bei diesem Event vor allem eines – fast grenzenlosen Spaß. Denn genau der steht im Vordergrund, auch wenn sportlicher Ehrgeiz durchaus erwünscht ist. Beim 19-jährigen Joshua Karmara, der im Berufsbildungswerk Heimbach-Weis arbeitet, ist der Torjägerinstinkt ganz schön ausgeprägt. Kein Wunder: Er ist ein begabter Fußballer. Und ein Show-Talent. Schon in seiner ersten beiden Spielen ist er viermal erfolgreich. Und er feiert seine Treffer mit Posen, wie man sie von Superstars wie Robert Lewandowski oder Cristiano Ronaldo kennt. Allerdings mit einem höchst liebenswerten Lächeln im Gesicht: „Am schönsten ist es, Tore zu schießen“, sagt er. Und korrigiert sich dann sofort: „Nein, noch schöner ist, dass es einen Riesenspaß macht.“ Bei 35 Grad im Schatten, den es auf den Spielfeldern allerdings nicht gibt, müssen die Organisatoren sich vor allem um die Gesundheit der Akteure kümmern. Die DRK-Helfer erinnern immer wieder daran, dass man sich in den Pausen aus der knallenden Sonne unter die Zeltdächer zurückziehen und viel trinken soll.

Die Spielleiter reagieren höchst besonnen. In einem ersten Schritt wird die Spielzeit von fünf auf vier Minuten verkürzt. Und am Ende der Veranstaltung sind alle Teams mit dem Vorschlag einverstanden, auf die Finalspiele ganz zu verzichten. Der Sieg ist nicht so wichtig wie der Spaß. Und erst recht nicht so wichtig wie die Gesundheit.

Einzigartige Atmosphäre

Der 25-jährige Andre Krause ist schon seit 2013 immer dabei, wenn man „Menschenkicker“ sein darf. Er wohnt in Vallendar und arbeitet in der Mittelrhein-Logistik, einer Einrichtung des Heinrich-Hauses. „Ich mag dieses Turnier wirklich sehr. Die Stimmung ist bei allen immer positiv, egal ob man gewinnt oder verliert. Das ist wirklich eine einzigartige Atmosphäre.“ Die schätzt auch sein Kollege Daniel Debytere. Der Rollstuhlfahrer hat auch schon mal als Torwart selbst mitgespielt, aber in diesem Jahr wollte er als Helfer dabei sein. „Ich unterstütze Nicolas Odenbach in der Organisation“, sagt er. „Vor allem habe ich die Anmeldungen entgegengenommen und registriert.“ Für ihn ist es neben der entspannten Atmosphäre eine besondere Freude, dass er bei dem Turnier immer wieder auch frühere Arbeitskollegen wieder trifft.

Und was ist am allerschönsten am Menschenkicker-Turnier? Daniel Debytere setzt ein verschmitztes Lächeln auf: „Ganz ehrlich? Nicht arbeiten gehen zu dürfen. Hier ist es doch viel besser, als jetzt bei dieser Hitze im Büro sitzen zu müssen.“ Stimmt. Hauptsache, man hat Spaß.