Vor zwanzig Jahren verstarb der facettenreiche Mendiger Bildhauer Peter Mittler

Er träumte von einer Künstlerkolonie in Mendig

Er träumte von einer Künstlerkolonie in Mendig

Vor 20 Jahren ist Bildhauer Peter Mittler verstorben. Fotos: privat

Er träumte von einer Künstlerkolonie in Mendig

Liegender Stier auf der Verkehrsinsel Poststraße / Ecke Barbarastraße.

Er träumte von einer Künstlerkolonie in Mendig

Löwe vor der Sparkasse auf dem Marktplatz.

Er träumte von einer Künstlerkolonie in Mendig

Einblick in die Werkstatt von Peter Mittler.

Er träumte von einer Künstlerkolonie in Mendig

Autorin Jasna Mittler mit dem Werk ihres Vaters „Albertus Magnus“ vor dem Vulkanmuseum Heidenstockstraße/Ecke Brauerstraße. Foto: Dorothea MariaSchwab

Mendig. Als Peter Mittler am 6. April 1946 in Obermendig in eine Steinmetz- und Bildhauerfamilie geboren wurde, schien sein Lebensweg vorgegeben zu sein. Doch es waren erst seine Besuche im Atelier des Malers und Bildhauers Curt Drewes, die bei dem Heranwachsenden den Wunsch weckten, Künstler zu werden. Durch seinen Großcousin Olaf Höhnen, einen ebenfalls aus Obermendig stammenden Bildhauer, Grafiker und Maler, erfuhr er von der Kölner Werkschule. Nach dem Realschulabschluss absolvierte Mittler zunächst eine Ausbildung im Steinmetzbetrieb seines Vaters, um die Aufnahmevoraussetzung für die Werkschule zu erfüllen, bevor er 1966 einen Studienplatz im Bereich Plastik/Bildhauerei erhielt.

Trotz seiner Begabung fiel es Peter Mittler schwer, sich an der Werkschule zu behaupten. Sein Kunstverständnis entsprach nicht dem damaligen Zeitgeist. Er interessierte sich für die bildliche Darstellung von Tieren - figürliches Darstellen galt jedoch in den Kreisen der Werkschule als verpönt, abstrakt sollten die Arbeiten sein und zunehmend politisch. Auch wurden herkömmliche Materialien wie Naturstein und somit der von Peter bevorzugt genutzte Basalt abgelehnt. Ein schwerer Unfall, der ihn für mehrere Monate ans Krankenbett fesselte, führte zu einem neuen Thema in der Kunst von Peter Mittler. Er wechselte in die Metallbildhauereiklasse und schuf fortan geschweißte Motorräder aus Schrottteilen. Im Jahr 1969 war er an einer Gruppenausstellung zum Thema „Motorrad in der Kunst“ in Rotterdam beteiligt.

Das Leben in der Großstadt und vor allem die Kunstschule erschlossen dem jungen Mann bisher unbekannte Welten. Die dort entstandenen Freundschaften, u.a. zu Raimund Böll, Metallbildhauer und Sohn des Literatur-Nobelpreisträgers Heinrich Böll, führten ihn in die künstlerisch-intellektuellen „Bohème“ – Kreise ein und eröffneten ihm neue Denkweisen, sowohl in künstlerischer als auch in politischer Hinsicht. Trotzdem blieb er seiner Heimat eng verbunden und zog zu Beginn des Jahres 1970 mit seiner Frau nach Miesenheim, wo die erste Tochter geboren wurde. Um die Familie versorgen zu können, brach Peter Mittler sein Studium ab und arbeitete zunächst bei den Bühnen der Stadt Köln als Kascheur, später führte er auch Kulissenbauten für Filme aus. Zusätzlich hatte er sein erstes eigenes Atelier in einer umgebauten Scheune, wo er Motorradfahrer in Eisen und Stein erschuf. Ein überlebensgroßes Werk aus dieser Zeit, ein aus Baustahl geschweißtes Motorrad, wurde 1973 im Rahmen der Internationalen Kunstmesse in Düsseldorf ausgestellt. 1974 wurden zwei Werke von Peter Mittler in der renommierten „Galerie des 4 mouvements“ in Paris präsentiert. Im Herbst desselben Jahres hatte er eine Einzelausstellung in München in der Galerie am Schloss, die 1975 im BMW-Museum wiederholt wurde.

Zu dieser Zeit war Peter Mittler mit seiner Familie zurück nach Mendig gezogen, wo die zweite Tochter zur Welt kam. Ein Herzinfarkt seines Vaters führte dazu, dass er dessen Restaurierungsaufträge übernahm und wieder verstärkt mit Naturstein arbeitete. Zugleich begann für ihn eine neue Schaffensphase: „sozialkritischer Realismus“. Dem damaligen Zeitgeist entsprechend setzte er nun auf künstliche Werkstoffe wie Polyesterharz. Er gewann einen „Kunst am Bau“-Wettbewerb der Universität Bremen und schuf eine politische Installation aus 5 überlebensgroßen Radfahrer-Figuren, die 1978 ihren Platz auf dem Uni-Campus bekam. Großformatige Fotos der „Bremer Radfahrergruppe“ wurden 1980 in Paris im Rahmen der „Biennale des Jeunes“ im Centre Pompidou ausgestellt. Nach dem Tod des Vaters 1977 und mit dem Beginn einer schweren Diabetes-Erkrankung beschäftigte Peter Mittler sich zunehmend mit „klassischen“ Bildhauerarbeiten, darunter viele Restaurierungen im sakralen Bereich. Während er sich nach den anfänglichen Erfolgen in der Kunstwelt wieder in die Eifel zurückzog, war es ihm zugleich ein Anliegen, mehr „Welt“ nach Mendig zu bringen. Er lud Freunde aus den Kölner Kreisen sowie Bekannte, die er auf Reisen kennenlernte, in sein Haus in Mendig ein. Ein großer Traum von Peter Mittler war, Kölner Künstler dauerhaft in Mendig anzusiedeln. Im Sinne des von Joseph Beuys geprägten Begriffs der „Sozialplastik“ wollte er unter dem Titel „Mendiger Modell“ bzw. „Mendiger Bauhütte“ ein Projekt ins Leben rufen, bei dem unter anderem selbstgeschaffene Kunstwerke als Zahlungsmittel etabliert werden sollten. Anfang der 1980er Jahre war Peter Mittler Initiator zweier Kunst- und Handwerkermärkte auf dem Mendiger Marktplatz – zu einer Zeit, als solche Veranstaltungen in der Gegend noch eher unbekannt waren. Doch nicht nur Peter Mittler brachte die Kunst und Kultur der Großstadt nach Mendig, auch seine Ehefrau Dorothea erweiterte das kulturelle Angebot der Gegend: Im Jahr 1983 eröffnete sie mit dem „Mendiger Caféhaus“ das erste Kulturcafé der Region, mit wechselnden Ausstellungen und einem vielfältigen Veranstaltungsprogramm.

Eine Anstellung an der Kölner Dombauhütte führte Peter Mittler im Jahr 1986 erneut in die Großstadt. Er kehrte mit einem neuen Thema nach Mendig zurück – schwere Steine bei Beibehaltung der Außenmaße skulptural auszuhöhlen, um sie damit so leicht wie möglich zu machen. Im Kontext dieser Werkphase fertigte er 1994 im Rahmen des Mayener „LAPIDEA“-Symposiums eine 4 m hohe Skulptur an, die einen Bildhauer darstellt, der sich aus einer Basaltsäule herausarbeitet.

Ein Großauftrag brachte Peter Mittler 1996 dazu, seinen Schwerpunkt nach Mayen zu verlagern, wo er eine neue Werkstatt in einem Steinindustrie-Unternehmen bezog. Das Werk stellte eine Gruppe von sieben überlebensgroßen Figuren dar, die gemeinsam an einem runden Tisch sitzen. Sein künstlerisches Anliegen zu dieser Zeit bestand darin, auf Hilfsmittel wie Zollstock, Wasserwaage und Zirkel zu verzichten und sich allein auf das Augenmaß zu verlassen.

Die Verschlechterung von Peter Mittlers Gesundheit – als Spätfolge der Diabetes hatte eine Nierenerkrankung ihn zum Dialysepatienten gemacht – schränkte ihn ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend ein. Eine Idee, die ihn über Jahre hinweg begleitet hatte, wollte er jedoch noch umsetzen: „Mogenia“, einen überlebensgroßen weiblichen Motoradfahrer-Schutzengel aus Naturstein. Als endlich sowohl die Geldgeber für das Projekt als auch ein geeigneter Standort (am Hotel Forsthaus, Rieden) gefunden waren, war er bereits schwer krank. Letztlich musste er die Arbeit an der Skulptur kurz vor der Vollendung abbrechen. Nach einem mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt wurde eine Bypass-Operation durchgeführt, die Mittlers geschwächter Körper nicht verkraftete. Er verstarb am 16.04.2004 in Trier. Die Mogenia-Skulptur wurde von seiner Tochter fertiggestellt und konnte im Gedenken an den verstorbenen Künstler versetzt werden.

Jasna Mittler