Heimbach-Weiser Wald nun auch mit einbezogen
Stadtrat: Standortprüfung für PV und Windkraft sind beschlossene Sache
Neuwied. Politik, Verwaltung und die Neuwieder Stadtwerke (SWN) machen Druck in Sachen Energiewende. Grünes Licht gab der Neuwieder Stadtrat vergangenen Donnerstag nach einer dreistündigen Debatte für die Standortprüfungen einer PV-Anlage im Engerser Feld und für sechs Windkraftanlagen im Wald bei Monrepos. Teil zwei der Beschlussvorlage betraf die exklusive Grundstückssicherung für die SWN. Sollten die Windräder realisiert werden, würde die Stadt den SWN das Grundstück langfristig verpachten.
Vier der Standorte befinden sich auf Grundstücken privater Eigentümer. Sollten die Windräder tatsächlich entstehen, würde der Ertrag von 120 MWh die Hälfte des aktuellen Neuwieder Strombedarfs decken können. Realisieren wollen die SWN das Projekt mit der Bremer WPD onshore GmbH & Co.KG, die nach eigenen Angaben 2.550 Windenergieanlagen in 28 Ländern realisiert haben. Allein im Eigenbetrieb werden 2.300 MW Strom erzeugt. In Neuwied wollen die Experten Windräder vom Typ Vestas V-172 mit einer Nabenhöhe von 175 Meter und einer Gesamthöhe von 261 Meter errichten. Zum Vergleich: Der Kölner Dom kommt auf eine Höhe von 157 Meter.
Ungewöhnlich hoch war die Zahl der Bürger, die ins Heimathaus gekommen waren. Schon in den Tagen zuvor hatte die Beschlussvorlage für große Diskussionen gesorgt. Kurz nach Bekanntwerden der Pläne hatte die Mehrheitsfraktion aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FWG zu einem Bürgerforum eingeladen. Windräder, die noch vor kurzem von vielen Neuwiedern im Stadtgebiet für unmöglich gehalten wurden, könnten in wenigen Jahren Realität sein. Vielen Menschen geht das zu schnell. Entsprechend groß war die Kritik. Geäußert auch von mehreren Fraktionen.
Ergebnisoffene Prüfung
Zu Beginn und im Laufe der Debatte machten Oberbürgermeister Jan Einig und der Beigeordnete Ralf Seemann klar, dass es lediglich um eine ergebnisoffene Standortprüfung geht. Keinesfalls würde dies gleichbedeutend mit der Entscheidung für die Errichtung sein. Der Stadtchef sprach sich auch gegen die Verschiebung der Beschlussvorlage aus und bekam dafür die Mehrheit des Stadtrats.
Bürgerbeteiligungen, wie von der Bürgerliste und der SPD gefordert wurden, erteilte Jan Einig eine Absage: „Wir beteiligen die Bürger/innen, wenn wir wissen, worüber wir reden. Das ist zu diesem Zeitpunkt noch viel zu früh“. Ralf Seemann machte darauf aufmerksam, dass das Thema Windkraft nicht überfallartig aufgegriffen wird, sondern bereits im Oktober 2021 im Klimaausschuss mit Experten beraten wurde. Der Stadt wurde der Auftrag erteilt, neu entstehende Potentialflächen auf ihre Eignung zu überprüfen. Der Beigeordnete berichtete, dass selbst die Förster sich aufgeschlossen zeigten, für den Klimaschutz einen „Preis zu tragen“ und Windräder im Wald zu akzeptieren.
Einziger Landkreis ohne Windkraft
Michael Bleidt vom Verband kommunaler Unternehmen berichtete, dass Neuwied der einzige Landkreis in Rheinland-Pfalz ohne Windkraft sei. Im Gegensatz dazu hätten Rhein-Hunsrücker Kommunen in den letzten Jahren ihre Haushalte dank Windkraft sanieren können. Auch die Bevölkerung könne profitieren. Derzeit liege der Strompreis an der Börse beim Dreifachen der PV- und Windkraft Entstehungskosten. Außerdem gab Michael Bleidt einen Überblick über den notwendigen Ausbau erneuerbare Energien, um die Klimaziele im Land zu erreichen.SWN-Geschäftsführer Stefan Herschbach erinnerte daran, dass das Bundesverfassungsgericht im April 2021 die Klimaneutralität bis 2045 beschlossen hat und konkrete Zwischenziele formulierte. Damit wurde die politische Dimension überschritten und stattdessen sei Klimaschutz verpflichtend. Ambitionierter ist das Ziel der Landesregierung bis 2030 klimaneutral zu sein.
Auch Heimbach-Weis wird geprüft
Der Geschäftsführer sagte zu, dass über die Beschlussvorlage hinaus Standorte in Heimbach-Weis geprüft werden. Zunächst sei das nicht angegangen worden, weil sich diese Flächen in der Kernzone des Naturparks befinden. Wenn am Ende mehr als sechs Standorte gefunden werden, sei das umso besser. Stefan Herschbach berichtete, dass mit der Standortprüfung echte Windmessungen erfolgen. Bisher basieren die Erkenntnisse lediglich auf theoretischen Annahmen. Das nächste Windrad steht in 20 km Entfernung. Detailliert stellte er das erforderliche Verfahren vor. Frühestens 2027 stünde das erste Windrad. Andrea Welker, Ortsbeiratsvorsitzende von Segendorf, sprach sich ebenfalls für die Prüfung der Standorte im Heimbach-Weiser Wald aus. Ihres Wissens seien diese nicht nur wegen des Windpotentials, sondern auch wegen der Zuwegung besser geeignet. Die acht km lange Trasse im Segendorfer Wald, die für die Anlieferung der Windräder errichtet werden muss, gehört neben der Errichtung in unmittelbarer Nähe zum Friedwald, zu den größten Kritikpunkten für die sechs Windräder.
Standortprüfung mehrheitlich beschlossen
Dietrich G. Rühle (FDP) wies darauf hin, dass allein die Verunstaltung der Landschaft nicht Grund für die Ablehnung von Windkraft sein könne. Dann würden nirgends Windräder errichte. Der Wald um Monrepos, als einer der wenigen überregionalen Anziehungspunkte Neuwieds, mit dem Museum, speziellen Bäumen und der Aussicht, bedürfe aber einer besonderen Betrachtung. Dies alles müsse bedacht werden, wenn sechs gigantische Windräder, die größten abseits von offshore Parks, entstünden.
Im Gegensatz zur FDP lehnte die Bürgerliste die Standortprüfung wegen des Eindringens in die uralte Biotopstruktur mit einer großen Artenvielfalt ab. Die Gegend sei ein Habitat für Rothirsche, seltene Vogelarten, Fledermäuse und Wildkatzen. Mindestens dreißig Jahre benötigen die neuen Bäume, bis sie wieder von Nutzen für die Natur sind. Und genau dann, müssten die Windräder erneuert werden. „Die Windräder werden die Industrialisierung des Walds nach sich ziehen“, ist sich Dr. Jutta Etscheidt sicher. Regine Wilke (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte Verständnis für Gründe „die man vielleicht nachvollziehen“ kann. Unverständnis äußerte sie aber für haltlose Vorwürfe aus der Bürgerschaft und versicherte, dass kein Mitglied des Stadtrats, der SWN oder aus dem Stadtvorstand persönliche Vorteile aus der Stromgewinnung hätte, die nicht jeder andere Bürger auch habe. „Wir Grünen stehen hinter dem Vorschlag einen weiteren klimagerechten Schritt zu gehen“, begründete die Fraktionsvorsitzende die Zustimmung ihrer Partei. Ebenfalls grundsätzlich positiv stehen die Linken der Standortprüfung gegenüber. Tobias Härtling bat nach Alternativen zu der geplanten Trasse zu suchen, um den Eingriff in die Natur möglichst gering zu halten.
Sven Lefkowitz (SPD) kritisierte, dass die Öffentlichkeit bislang zu wenig eingebunden war und sprach von einem Versäumnis der Verwaltung. Die Energiewende könne nur mit Transparenz und offenen Dialog gelingen. „Wir wünschen die Prüfung aller in Frage kommenden Standorte“, sagte Sven Lefkowitz und merkte an, dass man aber auch interkommunalen Kooperationen offen gegenüber stehe.
Der CDU Fraktionsvorsitzende Martin Hahn stellte infrage, ob sich Neuwied von Energieimporten, etwa LNG Gas aus Katar, abhängig machen wolle oder man lieber vor Ort den Strom erzeuge und bilanzierte, dass darüber doch wohl ein Konsens bestünde. Das Ziel müsse sein, die Wertschöpfung vor Ort zu haben und das Geld in der Stadt zu lassen. Der CDU-Chef versprach die Bürger/innen auf dem Weg der Energiewende mitzunehmen. Vielleicht auch in Form einer genossenschaftlichen Beteiligung an den Erträgen der Stromerzeugung. Martin Hahn kündigte in Richtung Kreistag an, dass der Landkreis nicht der einzige im Land ohne Windrad bleiben dürfe.
Dr. Martin Damen (AfD) sprach sich gegen die Standortprüfung aus. Weder PV noch Windkraft seien grundlastfähig und außerdem bedürfe es keiner Elektromobilität. Stattdessen brauche man weiter Energie aus Gas, Kohle und Kernkraftwerken der vierten Generation. FF
Nicht zuletzt wegen der besseren Zuwegung nahm der Stadtrat den Heimbach-Weiser Wald in die Stadtortprüfung auf.
