Zoo Neuwied in der Kritik
Wie werden Tiere im Zoo behandelt?
Studie mehrerer internationaler Tierschutzorganisationen klagt den Neuwieder Zoo an
Neuwied. Der Vorwurf, der kürzlich gegen den Zoo Neuwied erhoben wurde, wirkt hart. Verstoß gegen die Richtlinie über die Haltung von Wildtieren in Zoos der EU (1999/22) und damit gleichbedeutend Tierquälerei. Was war geschehen? In der in Brüssel veröffentlichten Studie „Der EU Zoo Report 2011“ unter der Federführung der Born Free Foundation und vieler anderer europäischer Tierschutzorganisationen, darunter auch der deutschen Animal Public, wurden Zoos in ganz Europa untersucht. Die 25 getesteten deutschen Zoos, die im Jahr 2010 besucht wurden, schnitten vergleichsweise schlecht ab. Den Zoo Neuwied traf dabei insbesondere ein Vorwurf der Beobachter. Der Zoo würde afrikanische Störche, die Marabus kupieren, also die Flügelenden abschneiden oder die sogenannten Schwungfedern operativ entfernen. So wird die Flugfähigkeit der Vögel stark eingeschränkt oder komplett verhindert. Dadurch sollen die Vögel am Verlassen der Gehege gehindert werden. Laut der Studie sei dieses kupieren allerdings nach dem Tierschutzgesetz in Deutschland seit 1998 verboten. Wurde hier also illegal Tierquälerei begangen und die Marabus auf verbotene Weise behandelt?
Zoo Neuwied weist Vorwürfe zurück
„Blick aktuell“ sprach mit Zoodirektor Mirko Thiel über die Vorwürfe der Studie. „Die Anschuldigungen in der Studie, die den Zoo Neuwied betreffen, sind haltlos. Wir haben noch ältere Tiere, die vor 1998 kupiert worden sind. Es handelt sich hierbei um Marabus, Flamingos und Pelikane“, sagte Mirko Thiel, „zu dieser Zeit war das kupieren dieser Tiere noch nicht vom Tierschutzgesetz verboten. Heute werden selbstverständlich keine Vögel mehr im Zoo Neuwied kupiert. Die Altbestände leben aber weiterhin in unseren Anlagen und ich sehe auch keinen Grund, das zu ändern.“
Bei nichteinheimischen Vögeln in Zoos ergibt sich allerdings generell eine Problematik. Die Tierparks in Deutschland sind verpflichtet, ein Entkommen der Tiere aus dem Gelände zu verhindern. So bleiben den Zoos, die solche Vögel halten, nur zwei Wege um sie an einer Flucht zu hindern, die Unterbringung in großen Volieren oder eben die Einschränkung der Flugfähigkeiten, was heute durch das Stutzen der Schwungfedern, die in der nächsten Mauser der Vögel nachwachsen, erreicht wird. Über die artgerechtere Haltung der Vögel entscheiden die Experten der jeweiligen Tierparks. Zoodirektor Mirko Thiel erklärt die Methode im Neuwieder Zoo: „Die Vögel im Zoo Neuwied, die fliegen können, übrigens der überwiegende Teil, sind in Flugvolieren untergebracht.“
Viele der Vögel in den Zoos des Landes, insbesondere aus den wärmeren Regionen der Erde, würden eine Flucht auch nicht lange überleben, da es entweder zu kalt oder das Nahrungsangebot zu gering ist.
Artenvielfalt und artgerechte Haltung
Im Zoo Neuwied werden den Besuchern mehr als 1200 Tiere aus 155 Arten präsentiert. Ein Zoo oder Tierpark muss hierbei immer den Spagat zwischen der möglichst artgerechtesten Haltung und Versorgung der Tiere und einem soliden finanziellen Fundament schaffen. Da sich die Anforderungen an die Haltung von Wildtieren in Zoos und Parks seit der EU-Richtlinie über die Haltung von Wildtieren in Zoos verschärft haben, um eine artgerechtere Unterbringung und Versorgung von Tieren europaweit zu schaffen, bedarf es großer Investitionssummen seitens der Zoos. Gerade bei kleineren Tierparks müssen diese Investitionen größtenteils aus den Einnahmen durch die Besucher erzeugt werden. Daher sind die Zoos auf einen steten Besucherstrom angewiesen.
Investitionen für die Tiere in Neuwied
Doch was wurde im Zoo Neuwied bisher alles im Bereich der artgerechten Haltung der Tiere in den letzten Jahren unternommen? Hierzu der Neuwieder Zoodirektor Mirko Thiel: „Wir versuchen, immer eine optimale Tierhaltung zu gewährleisten. Hierfür haben wir allein in den letzten zwölf Jahren rund fünf Millionen Euro investiert.“ Ein Beispiel für diese Investitionen ist die Anlage für die Menschenaffen. Dort steht den vier Schimpansen im Zoo Neuwied eine 1000 Quadratmeter große Anlage zur Verfügung, davon rund 700 Quadratmeter an Außenfläche. Ein 200 Quadratmeter großer Innenraum mit diversen Spiel- und Schaukelmöglichkeiten sowie eines Rindenmulchbodens steht für die Tiere bei schlechtem Wetter bereit. „Nach den derzeit gültigen Haltungsrichtlinien, die wir im Zoo Neuwied allerdings auch als zu gering erachten, ist das Innengehege mehr als viermal so groß, die Außenanlage mehr als fünfzehnmal so groß, wie sie sein müssten“, setzte Mirko Thiel nach.
Intelligente Tiere müssen gefordert werden
Mit einer schönen Anlage allein ist es nicht getan. Langeweile ist ein großes Problem für Zootiere, insbesondere den intelligenten wie Menschenaffen oder Delfine. „Bei der Ernährung der Tiere lassen sich die TierpflegerInnen immer etwas Neues einfallen. In Afrika sind die Schimpansen nahezu den ganzen Tag auf Nahrungssuche“, erklärt der Zoodirektor, „allerdings nicht, weil es ihnen Spaß macht, sondern weil sie sonst nicht genug Futter finden, um satt zu werden. In Neuwied wird ein Großteil der Nahrung so in der Anlage untergebracht, dass die Tiere lange damit beschäftigt sind, sie zu suchen, auszupacken oder zu sammeln.“
Wissen als Mittel des Tier- und Artenschutzes
Neben dem Artenschutz legt der Zoo Neuwied großes Augenmerk auf die Wissensvermittlung, insbesondere an Kinder. Mittels eines pädagogischen Konzeptes werden insbesondere Grundschüler, aber auch angrenzende Altersgruppen altersgerecht an die Materie Tiere, Natur, Artenschutz und Umwelt unter dem Motto „Zoo und Zoologie zum Begreifen“ herangeführt. Darüber hinaus wurde ein Angebot an Schulen geschaffen, ganze Schulstunden betreut im Zoo durchzuführen, um den Unterricht spannender und lehrreicher zu gestalten. Ein Baum- und Naturlehrpfad komplettiert das Konzept. Die durchaus berechtigten Forderungen des EU Zoo Report 2011, wie eine strengere Regulierung und Überwachung der Genehmigungen für Tierparks und Zoos sowie die Umsetzung der Kontrolle der artgerechten Haltung von Tieren sind richtig. Allerdings sollten Anschuldigungen, insbesondere wenn Zoos namentlich im Bericht erwähnt werden, genau der Wahrheit entsprechen. Sonst werden Zoos unbegründet an den Pranger gestellt. Dies kann im schlimmsten Fall zu einem so starken Besucherrückgang führen, das Geld für weitere Verbesserungen der Zoo-Infrastruktur nicht mehr zur Verfügung steht. Damit werden dann auch Maßnahmen, die einen Fortschritt bei der artgerechten Haltung bedeuten würden, behindert oder können nicht mehr durchgeführt werden.Alexander Paul