24. Tag der geflüchteten Menschen
Eine Mutmacher-Geschichte: Von Aleppo nach Neuwied
Neuwied. Dass sein Lebensweg ihn einmal nach Neuwied führen würde, hätte Mohi Aldeen Zein vor rund zehn Jahren selbst noch nicht geglaubt. Heute hat er hier eine neue Heimat gefunden, nachdem er 2015 auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise aus dem syrischen Aleppo nach Deutschland kam. Beruflich und privat hat der ehemalige Flüchtling Fuß gefasst in der Deichstadt und sich ein neues Leben aufgebaut. Eine Erfolgsgeschichte, die Mut macht – auch für die Mitarbeiter des Neuwieder Jobcenters, die Zeins Weg begleitet haben.
„Es ging nicht mehr in der Heimat“, erinnert sich der heute 36-Jährige an die Tage vor seiner Flucht. Leicht gefallen war ihm die Entscheidung nicht: Mohi Aldeen Zein ist Jurist, hatte das erste und zweite Staatsexamen in der Tasche und gerade angefangen, als Anwalt zu arbeiten. Mutter und Vater und den Rest seiner Familie hat er in Aleppo zurücklassen müssen und kam schließlich alleine in einem Erstaufnahmelager in Trier an. Deutschland als Ziel hatte er dabei gewusst gewählt: „Die Politik, die Kultur und die Geschichte Deutschlands fand ich schon immer spannend. Ein Land, dass nach einem Krieg völlig am Boden liegt und wieder aufgebaut wird – wie geht das? Das hat mich schon immer interessiert.“
Von Aleppo nach Neuwied
Von Neuwied hatte er damals noch nie etwas gehört, es war Zufall, dass er der Deichstadt zugeteilt wurde und zunächst in der Turnhalle am Raiffeisenring unterkam. Von der Millionenmetropole Aleppo in eine vergleichsweise kleine Stadt am Rhein? Heute ist Mohi Aldeen Zein dankbar dafür: „Eine kleine Stadt ist besser für den Neustart, der persönliche Kontakt zu den anderen Neuankömmlingen und zu den Einheimischen fällt da leichter.“ Zudem gab es in Neuwied einige Angebote für Geflüchtete, darunter kirchliche Treffpunkte und ehrenamtlich organisierte Cafés, die das Ankommen und das Kennenlernen erleichterten: „Das ist in Neuwied wirklich vorbildlich gemacht und hat mir sehr geholfen.“
Auch das Leben in der Turnhalle empfindet er im Rückblick als „schöne Zeit“: „Man hatte natürlich Heimweh, aber es waren ja viele Menschen in der gleichen Situation da und man hatte immer Gesellschaft.“ Auch mit den eher als kühl geltenden Deutschen wurde der Neuankömmling indes schnell warm: „Die Deutschen haben den Ruf, pünktlich, fleißig und höflich zu sein. Ich habe viele gute Erfahrungen mit den Menschen gemacht, denn als Flüchtlinge waren wir anfangs wie Kinder, überwältigt von den Eindrücken und überfordert von der berüchtigten deutschen Bürokratie. Aber es hat immer jemanden gegeben, der Unterstützung angeboten hat.“
Sprache als Schlüssel
Der Schlüssel zu allem fehlte ihm anfangs jedoch noch: Die Sprache. „Ich konnte genau drei Worte Deutsch, nämlich: Ich liebe dich“, schmunzelt er heute. Zwei Monate dauerte es, bis der syrische Neuankömmling die Aufenthaltsgenehmigung in der Tasche hatte, aber so lange, wollte er mit er Verständigung gar nicht warten und hat mit einem von der VHS angebotenen Kurs zum Deutschlernen angefangen. „Das ist mein Tipp an alle Migranten: Kümmert euch um die Sprache!“, unterstreicht der nun 36-Jährige.
Für Mohi Aldeen Zein geht es dann schnell voran: Er zieht von der Turnhalle in das Camp für Geflüchtete in Neuwied-Block und lebt zu dritt in einem Container, bis er im Januar 2016 eine Wohnung findet. Mit der Aufenthaltserlaubnis in der Tasche, nimmt ihn das Jobcenter in einen Integrationskurs auf und vermittelt weitere Sprachkurse. Heute ist er eingebürgert und spricht Deutsch auf C1-Niveau.
Auch für das Jobcenter ist die Vermittlung von Sprachkenntnissen ein wichtiger Punkt für alle Neuankömmlinge: „Damit der Arbeitseinstieg und mithin die Integration in Deutschland gelingt, haben wir als Jobcenter ein breites Förderangebot“, erklärt Jobcenter-Geschäftsführer Theo Krayer. „Im Zuge unseres Begleitangebots Job-Turbo möchten wir die geflüchteten Menschen nach Abschluss der Integrationskurse schnell und nachhaltig in eine stabile Beschäftigung bringen. Die weitere Sprachkompetenz und berufliche Qualifizierung kann beschäftigungsbegleitend gefördert werden. Mit unserem Förderportfolio können wir sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer unterstützen.“
Wahlheimat Deichstadt
Beruflich auf eigene Füße zu kommen, war auch für Mohi Aldeen Zein der nächste Punkt: Sein syrischer Abschluss als Jurist kann in Deutschland nicht anerkannt werden, also entschließt er sich zu einem Magister-Studiengang für im Ausland graduierte Juristen in Würzburg. Mit dem Abschluss in der Tasche begibt sich Mohi Aldeen Zein auf ein Auslandsjahr, bereist mehrere orientalische Länder – und kommt schließlich im Januar 2023 doch wieder nach Neuwied zurück: „Ich hatte hier inzwischen Freunde und Neuwied war meine Wahlheimat geworden“, begründet er den Schritt zurück in die Deichstadt. Und auch die Jobsuche hat Erfolg: Seine Bewerbung bei der Neuwieder Stadtverwaltung führt ihn zu einer Anstellung beim Sozialamt im Bereich Asyl, wo er als Sachbearbeiter finanzielle Belange von Asylbewerber klärt und Leistungen gewährt. „Ich habe etwas gesucht, wo ich meine Kenntnisse einbringen kann“, berichtet er, zufrieden mit seinem Leben in Neuwied und angekommen im Berufsleben.
Mutmacher-Geschichten wie seine gibt es viele, findet Mohi Aldeen Zein, sie werden nur viel zu wenig erzählt. „Von den vielen jungen Männern, die mit mir ankamen, kenne ich fast keinen, der nicht berufstätig ist oder relativ gut integriert und so auch hilft, dem Fachkräftemangel zu begegnen“, resümiert er und erinnert sich an Angela Merkels „Wir schaffen das!“-Versprechen. „Das Land, die Gesellschaft und die Menschen haben das geschafft und super hinbekommen“, sagt er nicht ohne Stolz. „Als Migrant muss man sich bemühen und die Gesellschaft muss das annehmen. Dann ist so viel möglich.“
Sein Appell an die Neuankömmlinge ist eindeutig: „Gebt niemals auf. Fangt immer wieder neu an, euch zu entwickeln. Deutschland ist ein Land der Chancen. Irgendwann kommt was zurück. Wenn ich es geschafft habe, werdet ihr es auch schaffen. Lasst uns die Lösung statt das Problem sein.“