Eine Erinnerung an einen Mayener Kriminalbeamten nach 1945 – Herbert Klee –
Er war einst der Mayener „Sherlock Holmes“
Mayen. Auch die Kriminalpolizei war früher Teil des städtischen Polizeiamtes. Viele Jahre war ein Pol.-Kommissar Matthias Puhl, Jahrgang 1886, seit 1911 im Polizeidienst; er war Leiter des Polizeiamtes und dies auch noch unmittelbar nach dem II. Weltkrieg.
Statt Fernmelder Polizeibeamter
Herbert Klee, Jahrgang 1912, trat nach der Obersekundareife am Mayener Gymnasium 1930 in die Reichswehr ein, trug 16 Jahre Uniform und war bei der Wehrmacht u. a. im Nachrichtendienst eingesetzt, wo er auf dem Gebiet des Ultrakurzwellenfunk eine spezielle technische Verbesserung erfunden haben soll.
Mitte Juli 1946 begegnete der Polizeichef Puhl zufällig dem ihm bekannten Mayener Herbert Klee im Stadtgebiet. Im Gespräch äußerte Klee, dass er seinen Berufswunsch, im Nachrichtenwesen der Reichspost angestellt zu werden, leider nicht realisieren konnte. „Komm zu uns, wir brauchen Leute wie dich“ ermunterte ihn Puhl und nachdem die französischen Besatzer nichts gegen eine Einstellung einzuwenden hatten, begann Klee kurz danach als städtischer Ordnungshüter – wie damals üblich, gekennzeichnet mit Armbinde und „bewaffnet“ mit einem Holzknüppel. Kurze Zeit später wurde Herbert dem Kriminaldienst zugeteilt, der damals aus zwei weiteren Beamten bestand (ein Peter Brust, Jahrgang 1897 und ein Karl Willems Jahrgang 1919). Da die Dienststelle in der Göbelstraße/Ecke Feilsgraben im Krieg den Bomben zum Opfer gefallen war, zog das Polizeiamt mit der Stadtverwaltung in die Genovefaburg und war hier unter äußerst beengten Verhältnissen untergebracht.
Erfolgreicher Ermittler
Die Jahre nach dem Krieg, in dem Mayen weitgehend zerstört wurde, war eine äußerst prekäre Zeit, in der u. a. der Schwarzhandel und andere Wirtschaftsdelikte an der Tagesordnung waren. Klee schilderte später, dass sie damals auch nachts oft geholt wurden; eine Anerkennung von Überstunden und deren Ausgleich durch Freizeit kannte man nicht. Diese geringe Besetzung, nicht nur bei der Kripo, blieb in Mayen noch bis in die 1960er Jahre erhalten.
Aus der Dienstzeit von Herbert Klee haben sich einige Anekdoten erhalten. Zum einen war er ein starker Raucher; er und seine Mitarbeiterin waren oft regelrecht im Zimmer „eingenebelt“. Bei Herbert, dessen Vater u. a. in der Alleestraße eine Kaffeerösterei betrieb, durfte die Tasse nicht gespült werden; entsprechend sah sie aus. Klee betrieb im Keller der Dienststelle ein kleines Fotolabor, in dem er die Bilder seiner Ermittlungsverfahren in schwarz/weiß selbst entwickelte. Diese Tätigkeit war auch ein mit Eifer betriebenes Hobby in seiner Freizeit und im späteren Ruhestand. Herbert Klee hatte, wie damals üblich, noch keinen Telefonanschluss. Musste er aus aktuellem Anlass mal nachts benachrichtigt und zu einem Tatort gerufen werden, so lief dies folgendermaßen ab: Herbert wohnte in der Alleestraße ganz oben unter dem Dach seines Hauses. Ein Schutzpolizist der jeweiligen Dienstgruppe musste dann in die Alleestraße fahren. Nach mehrmaligem Klingeln öffnete sich ein Dachfenster, aus dem Herbert dann rief, was los sei? Da der Anlass der Benachrichtigung nicht über die Straße hoch gebrüllt werden konnte, begann für den Beamten ein Treppensteigen über etliche Stufen bis in den 4. Stock, um den Kriminalbeamten zum aktuellen Fall zu informieren. Dabei kam es manchmal auch vor, dass Herbert nach Kenntnisnahme des Sachverhalts und Einschätzung der Lage sagte: „Das hat Zeit bis morgen“.
Nach Dienstschluss drehte Herbert Klee täglich mit seinem Dackel eine Runde durch die Stadt, die meist in der Stehbachstraße in der Gaststätte „Zehnthof“ endete. Hier stand auch für seinen Hund ein Schüsselchen parat, in das neben Wasser auch öfter mal ein Bier geschüttet wurde, während sich Herbert mit den dort meist abendlichen Stammgästen unterhielt. Diese Gespräche beinhalteten nebenbei hin und wieder auch ergiebige Tipps zur Lösung aktueller Fälle; hier erfuhr er eine Menge, sobald sich die ein oder andere Zunge nach einigen Bierchen löste. Hatte er genug gehört und sein Dackel war nach dem „Genuss des Schüsselinhalt“ eingeschlafen, dann verabschiedete sich Klee.
Herbert Klee bearbeitete auch Delikte, die dem anspruchsvollen Wort „Staatsschutz“ zuzuordnen waren. Und wenn er dann ab und an in diesen Freizeitgesprächen im Zehnthof von einheimischen Personen hörte, die auf Einladung des gebürtigen Mayener Kommunisten Werner Lamberz in die DDR gereist waren, dann meldete Klee dies anschließend mit einigen weiteren Recherchen an vorgesetzte Dienststellen. (Lamberz war 1946 seinem Vater in die DDR gefolgt und machte hier eine erstaunlich erfolgreiche Karriere, die 1978 bei einem Hubschrauberabsturz in Libyen ein jähes Ende fand, wie es der heimischen Presse im März 2022 zu entnehmen war. Ferner sei erwähnt, dass Mayen vor dem Verbot der KPD 1952 wohl überdurchschnittlich viele kommunistische Wähler hatte, wie Prof. Dr. Heyen im Buch „Mayen“ festhielt. Der Treffpunkt der Mayener KPD-Sympathisanten fand in einem Haus im Bornhaustert statt, welches die Mayener mit „Kreml“ bezeichneten.)
Zu einem durchweg erfolgreich ermittelnden „Sherlock Holmes“ gehörte selbstverständlich auch ein „Dr. Watson“ als gut mitarbeitender Gehilfe. Diesen hatte Klee in der Person von Otto Keil, Jahrgang 1915, der allerdings erst ab 1954 in Mayen den Kriminaldienst beim Polizeiamt verrichtete. Klee und Keil waren über viele Jahre ein gut harmonierendes Team; Klee der etwas selbstdarstellerische, Keil der geräuschlose arbeitende Typ. Ende 1972 wurde Herbert Klee in den Ruhestand zu seinen vielfältigen Hobbys verabschiedet, den er noch bis 1985 genießen konnte.
Franz G. Bell