Erkennen von Gewalt im Alltag
Linz. Gewalt wird üblicherweise als jede Handlung definiert, die physischen oder psychischen Schaden an anderen Menschen verursacht. Gewalt beginnt jedoch nicht erst mit offensichtlichen körperlichen Angriffen oder eindeutigen Anzeichen psychischer Unterdrückung. Sie hat oft bereits frühere Vorläufer, als gemeinhin angenommen wird. Im Rahmen eines systemischen „Anti-Gewalt-Trainings“ durchgeführt von den Kompetenz-Trainern Larissa Peters und Gregor Assenmacher, konnten Auszubildende der Fachschule Heilerziehungspflege im vergangenen September entsprechende Erfahrungen sammeln. Dieses dreitägige Training, das für das dritte Ausbildungsjahr an der Alice-Salomon-Schule am Standort Neuwied stattfand, hatte das Ziel, die Klasse durch vielfältige Übungen und Praxissimulationen für die unterschiedlichen Vorläufer und Erscheinungsformen von Gewalt in sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz zu sensibilisieren.
Im Rahmen von Konfliktlösungs- und Kooperationsübungen wurden die Auszubildenden mit Situationen konfrontiert, die sie zum Nachdenken über ihre eigenen Denkweisen, Wahrnehmungen und Handlungen anregen sollten. In den anschließenden Gruppenreflexionen wurde deutlich, dass schon die Missachtung von vereinbarten Regeln und Absprachen, das Nicht-Zuhören von anderen, das Ignorieren und Überschreiten von psychischen oder körperlichen Grenzen von Mitmenschen oder das Übergehen alternativer Ansichten und Meinungen als Formen von Gewalt empfunden und erlebt wurden. Es wurde auch deutlich, wie schnell wir in sozialen Interaktionen zu Gewalt neigen und dabei die Bedürfnisse unserer Mitmenschen oft übersehen. Darüber hinaus wurde erkannt, wie schwierig es ist, den Mut aufzubringen, rechtzeitig und deutlich eigene Grenzen zu kommunizieren und durchzusetzen, wenn soziale Beziehungen zu belastend werden. Das klare Kommunizieren eigener Grenzen ist jedoch entscheidend, um nicht in die Rolle des Opfers zu geraten.
Die Schulung sensibilisierte die Auszubildenden für das komplexe Thema der alltäglichen Gewalt und eröffnete neue Perspektiven auf entsprechende Phänomene und Zusammenhänge. In der Folge streben die Auszubildenden einen behutsameren und sensibleren Umgang miteinander und mit sich selbst sowie ihren eigenen Grenzen an. Auch in Bezug auf soziale Beziehungen in ihrer zukünftigen beruflichen Praxis wurden die Auszubildenden für frühe Anzeichen von Gewalt sensibilisiert. Menschen mit Behinderungen sind oft weniger in der Lage, alltägliche Gewalt in ihren Einrichtungen zu erkennen und eigenständig Grenzen zu setzen. Daher ist ein fundiertes und reflektiertes Verständnis von Gewalt seitens des Fachpersonals von entscheidender Bedeutung.
Das 20-stündige Kompetenztraining wurde mit der Vergabe eines entsprechenden Zertifikats erfolgreich abgeschlossen. Aufgrund der positiven Impulse dieser Maßnahme plant die Fachschule, zukünftig eine jährliche Schulung der Auszubildenden zu diesem wichtigen Thema durchzuführen.
BA