Neue spannende Ausstellung im Sinziger Heimatmuseum:
„Nicht für die Ewigkeit - Brücken im Ahrtal“
Wuchtige Pfähle und spannende Dokumenten erinnern an immer wiederkehrende Hochwasser im Ahrtal
Ahrtal/Sinzig. Welch ein Anblick: Im Eingang des Schlosses lagert ein mächtiger schwarz-brauner Stamm, ein Stück Holz, das ausgedient hat als Stütze einer ehemaligen von den Franzosen an der Kölner Straße errichteten Holzbrücke. Das Heimatmuseum Sinzig begrüßt damit zur Ausstellung „Nicht für die Ewigkeit – Brücken im Ahrtal“. Zwölf historische Pfähle von insgesamt knapp 30 nach der Flut vom 14./15. Juli 2021 zwischen Sinzig und Ahrweiler geborgenen Exemplaren prägen die neue Präsentation. Die Katastrophe zerstörte oder beschädigte die Mehrzahl der Brücken über die Ahr. Sie pflügte aber auch das Flussbett um und grub tief aus der Erde Brückenpfähle längst vergangener Zeiten wieder aus. Das Erschütternde daran: Meist zwangen Hochwassereignisse die Querungen wieder und wieder in die Knie.
Die Einordnung in die Jahrhunderte währende Brückengeschichte eines ganzen Tales unternimmt die fundierte Ausstellung mittels spannender historischer Karten, Grafiken, Fotos, Gemälde (Steinborn) und den Funden einer neu entdeckten römischen Villa in Fuchshofen. Gabriel Heeren hatte die Idee zur Ausstellung, Rudolf Menacher konzipierte sie und erläuterte den ersten Gästen die Brückenhistorie der Ahr. Andreas Schmickler gestaltete die Schautafeln. Metallbauer Friedhelm Brandau kreierte Spezialhalterungen. Heeren, Schmickler, Bernd Ziegler, Roman Faßbender, Maximilian Wunderlich-Hörsch und Dr. Cliff Jost von der Landesarchäologie Koblenz waren mit Pfahlsicherung/Pfahlaufbau befasst. Ihnen sowie Kunstlehrerin Andrea Lawrenz und ihren Rhein-Gymnasiasten für tolle Brückenimpressionen zollte Museumsleiterin Agnes Menacher ihre Anerkennung.
Extrem bedeutsame Ausstellung
„Das sind nicht nur Stücke aus altem Holz, das sind Zeitzeugen“, erklärte Bürgermeister Andreas Geron zur Eröffnung der „extrem bedeutsamen Ausstellung“. Die Pfähle seien Zeugen der Brückengestaltung durch Menschen, Zeugen von Standortfragen, politischen Entscheidungen, so wie auch unsere Brücken künftigen Bewohnern von heutigen Überlegungen erzählen würden. „Wir sind ja in einem Prozess und wollen nicht, dass die Nachfahren diese Pfähle finden“, so Geron, der „die akribische Recherche und Zusammenführung von Daten und Fakten“ würdigte. Sein Dank galt allen Ausstellungsbeteiligten, den Vertretern von Kommunen, die mit Infos geholfen haben und namentlich Agnes Menacher für Organisation, Kurator Rudolf Menacher für Bildrecherche und Texte, Archäologe Heeren als Initiator und Mitakteur der Ausstellung sowie Andrea Lawrenz und ihren Schülern für die im Kunstunterricht gefertigten Brückenmodelle, die vielfach bewundert wurden. Angesichts der Hochwasserfrage werde klar: wir brauchen engagierte Laien, den Weitblick der Planer, Ortskundige wie Fachleute, erfahrene wie junge Menschen. Gerons Fazit: „Wir schaffen es nur gemeinsam.“
Flut schon in der Antike
Nach der Leid bringenden zerstörerischen Flut 2021 blicke die Ausstellung nach vorne, betonte Gabriel Heeren, „wobei es erstmals im Kreis Ahrweiler gelingt, archäologische Quellen mit historischen Zeugnissen zu kombinieren“. Erst 2021 wurde offenbar, dass bereits in der Antike eine Flut im Ahrtal eine luxuriöse römische Villa in Fuchshofen traf. Später bauten die Römer ihren Gutshof auf eine höher liegenden Terrasse wieder auf. Funde von beiden Bauten zeigt die Ausstellung.
Ebenso beleuchtete Heeren die spannende Bergung der Pfähle. Andreas Schmickler stieß auf einige unterhalb der Ahrtorbrücke , die er mit seinem Traktor und Fluthelfern barg. Bei der Heppinger Brücke zog ein aufmerksam gemachter Baggerfahrer Exemplare aus dem Schlamm, und in Sinzig war es Karl Krahforst, der etliche Stücke markierte, welche indes Stunden später „verschwunden“ waren. Nicht wirklich, hatte sie doch Forstwirt Klaus Kuch geborgen und unterstützt durch den Sinziger Forstrevierleiter Stephan Braun auf dem Sinziger Bauhof gelagert. Nach der Rettung erreichte das Heimatmuseum, unterstützt durch den Denkmalverein, die Förderung des Museumsverbands Rheinland-Pfalz für die wissenschaftliche Untersuchung der Brückenpfähle. Per Dendrochronologie und Pfahlschuh-Analyse ließen sich die Stützen datieren. So kam heraus, „dass mehrere Pfähle aus Ahrweiler im Winter 1804/1805 gefällt wurden. Die Brücke am Ahrtor wurde somit gleich nach der Flut im Sommer 1804 wieder aufgebaut!“ Heeren: „Eine bislang unbekannte Sensation!
Unbekannte Brücken aufgezeigt
Zudem belegt die Prüfung der Heppinger Brückenpfähle, dass sie aus dem gleichen Stück Gemeindwald kommen müssen. Für Sinzig wiederum sind durch die Funde bislang unbekannte Brücken für 1237 sowie1595 aufgezeigt. Übrigens waren schon die Vorfahren bemüht, Schäden künftiger Hochwasser einzudämmen. So forderte der Sinziger Stadtrat 1873 für die bis heute genutzte Steinbrücke an der Kölner Straße vier statt der drei geplanten Brückenbögen, damit sie nicht weniger Wasser durchlasse als die frühere Holzbrücke.
Ein viel älterer seit der Römerzeit bekannter Brückenstandort befand sich am 2021 zerstörten Sinziger Dr. Richard Spessart-Steg. Ein unterhalb gefundener Eichenpfahl, gefällt zwischen 1592 bis 1612 gehörte wohl zu einer älteren Holzbrücke der Aachen-Frankfurter-Heerstraße. Für den etablierten Standort belegen eine Ahrtal-Karte von 1571 und Renier Roidkins Zeichnung von um 1720/30 steinerne Bogenbrücken. Die dort 1750 errichtete Steinbrücke zerstörte bereits 1763/4 ein Hochwasser. Doch der Gesellenbrief von 1780 zeigt wieder eine Steinbrücke. Österreichisches Militär riss diese 1794 auf dem Rückzug vor französischen Revolutionstruppen ab. Aber an gleicher Stelle erbauten die Franzosen eine neue Brücke, welche die Ahrflut von 1804 niederriss. Danach verlegten die Franzosen die Brücke an die Kölner Straße.
Es bedarf mehrere Besuche, um in die inhaltlich interessante, handwerklich gut gemachte und optisch ansprechende Präsentation in ihren Details zu erkunden. Die Pfähle sind von suggestiver Wirkkraft. Groß und kräftig muten sie heroisch an. Dennoch war die Macht des Wassers stärker. Das berührt. Aber selbst von der Flut Betroffene finden in der Ausstellung, die eindringliche Objekten und interpretierte Dokumenten ausbalanciert, einen konstruktiven Ansatz für Empfindungen und Gedanken im Kontext der jüngsten Katastrophe.
Öffnungszeiten des Museums, Barbarossastraße 35: bis Ende Oktober donnerstags 10 bis 12, samstags und sonntags 11 bis 17 Uhr; November bis Mitte April donnerstags 10 bis 12 sowie samstags und sonntags 14 bis 17 Uhr. HG