Erhard Wacker stellt im neuen Buch spannende Auszüge privater Zeugnisse über die weltliche Zeit des Apollinarisberges zusammen
Von Rheinromantik bis Ärger mit den Pächtern
Remagen. Weihrauch und Wallfahrt, Kloster und Kirche verbindet man mit dem Apollinarisberg, der seit Jahrhunderten Pilgerziel ist und wo spätestens im 9. Jahrhundert schon die erste Martinskapelle stand.
Eine weltliche Phase begann, als die Franzosen linksrheinisch Kirchen und Klöster säkularisierten. Darauf ersteigerten 1807 Sulpiz Boisserée und der deutsch-französische Diplomat Karl Friedrich Reinhard, der seinen Teil 1821 an Sulpiz‘ Bruder Melchior veräußerte, das ehemalige Klostergut Apollinarisberg. Von den Kunst sammelnden Boisserées, darin einig mit dem Freund Johann Baptist Bertram, war Sulpiz die treibende Kraft, auch für sein größtes Projekt, die Vollendung des Kölner Doms.
Fast 30 Jahre gehörte den Brüdern das Gut mit Äckern, Wald, Wiesen und Weinbergen. Waren sie tage- oder wochenweise da, während sie sonst in Köln und später auch in Heidelberg, Stuttgart oder München lebten, wohnten sie im Klostergebäude. Kulturbeflissene und Freunde beehrten sie, so Bethmann-Hollwegs von Burg Rheineck, Ernst Moritz Arndt, August Wilhelm und Dorothea Schlegel. Selbst Friedrich Wilhelm IV. besuchte den Berg als Kronprinz und König, wie auch Personen etlicher Königshäuser.
Erhard Wacker stellt in seinem neuen Buch „Der weltliche Apollinarisberg (1807 – 1857) zur Zeit der Gebrüder Boisserée und Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim“ Auszüge aus Sulpiz‘ Tagebüchern und Briefen vor sowie aus Briefen an diesen etwa von Graf Reinhard, Goethe, Schopenhauer und Zwirner.
1836 erwarb Franz Egon von Fürstenberg-Stammheim den Besitz und erbaute die Apollinariskirche. Mit deren Weihe 1857, der Rückkehr der Apollinaris-Kopfreliquie und dem Franziskaner-Einzug endete die bürgerliche Ära auf dem Berg. Die Zeit des Kirchenerbauers beleuchten etwa Dokumente aus dem Archiv Fürstenberg-Stammheim, Zeitungsartikel und Sekundärliteratur.
Indem Wacker die Quellen sprechen lässt, blüht im O-Ton die romantische Stimmung der Boisserées auf. Sulpiz schreibt im Herbst 1811 aus Köln an Melchior: „Erst gestern Abend bin ich vom Apollinarisberg zurück gekommen. Ich war so froh und selig dort oben, wäre der Dom nicht der Dom, nichts Anderes hätte mich wieder in die Stadt gezwungen“. Bald darauf über die Weinlese: „Die Leute sangen und tanzten in der Küche. Dieser Herbst war das schönste Bild der Fröhlichkeit, das ich gesehen hab...“ Im selben Jahr bedrängte Sulpiz Goethe: „Die Trauben stehen in höchste Fülle...Die Natur selbst macht es ihnen zum Gesetz, dass Sie uns besuchen müssen“. Viele kamen, doch Goethe nicht, der sich gleichwohl die bedeutende Malerei-Sammlung der Boisserée-Brüder später in Heidelberg ansah.
Da ein Gut verwaltet sein will, lesen wir auch von Rechnungen, Reparaturen, Ärger mit dem Pächter. Die Mönche waren fort, doch kamen noch 1814 aus Holland Pilger nach Rom wie ehedem zum Berg. Die Details machen den Reiz aus, auch bei Ausflügen und magischen Momenten, so wenn Sulpiz im Sommer 1833 an Melchior, bei offenem Fenster aufs Siebengebirge blickend, von Vogelgesang und Glockengeläut schreibt.
Das Buch, 316 Seiten, 82 Abbildungen, ISBN 978-3-910257-16-0, kostet 16 Euro. HG