„Salonlöwengebrüll“ im Kulturbahnhof Bad Breisig
Zeitreise in die 1920er
Bad Breisig. Schmunzelnd und Melodien summend verließen die ZuhörerInnen nach zwei Stunden den fast ausverkauften Kulturbahnhof. Sebastian Coors und sein Pianist Norbert Lauter hatten ein musikalisches Panoptikum präsentiert und die Gäste auf eine musikalische Zeitreise in die 1920er mitgenommen, allerdings mit inhaltlich harter Landung in den 2020ern.
Salonmusikcomedy, so nennen die beiden Künstler und Preisträger des Rösrather Kabarettfestivals ihre Kunst. Und nach der Eröffnung des Abends durch Hannah Schnitzler von der Veranstalterin, der Tourist-Information Bad Breisig, machte Sebastian Coors sehr deutlich, mit wem er nicht verwechselt werden möchte: mit dem omnipräsenten Max Raabe. Außerdem trug er musikalisch die Bitte an das Publikum vor, nicht mitzuschunkeln oder mitzuklatschen, um nicht gar mit Florian Silbereisen verwechselt zu werden.
Stilechtes Programm
Äußerst stilecht gekleidet im Look der 20er Jahre mit Fliege, Einstecktuch und Lackschuhen trug der Sänger und Entertainer eigene Stücke im Gewand der alten 20er vor, nämlich Rumba, Tango, Walzer und Cha Cha Cha, während die teils bitterbösen und sarkastischen Texte sich auf die heutige Zeit bezogen.
So beschrieb Coors seine „Facebookmama“, die über das soziale Netzwerk weiterhin Kontrolle über sein Leben und seine Ernährungsgewohnheiten ausübte, und die er nur mittels Passwortklau nach Guantanamo verbannen konnte. Oder er schilderte im Stück „Schau doch nicht immer auf dein Smartphone“ ein Rendezvous mit einer jungen Dame, das völlig in die Hose ging und sehr treffend die heutige Smartphone-Sucht der jungen Generation auf´s Korn nahm.
Einen feurigen Tango widmete Coors seinem Friseur, und dann fragten sich die beiden Künstler: „Was bleibt für uns, wenn’s nicht mehr läuft?“. „Die Gosse?“ Noch tiefer! „Die Hölle?“ Noch tiefer! „RTL Dschungelcamp!“
Sebastian Coors nahm im Stück „Ich koche“ die modernen Ansprüche an einen Hobbykoch ins Visier. Sehr treffend beschrieb er die heutigen Erwartungen der Gäste, vegan und vegetarisch, laktose- und gelatinefrei, fructosefrei und fettreduziert speisen zu können. In seiner Not hatte er seinen Gästen einen Topf heißes Wasser serviert, da nur dieser alle diese zeitgemäßen Erfordernisse erfüllte.
Eine bissige Abrechnung mit dem heutigen Volksmusik-Boom im Fernsehen war auch im Programm. „Wo klingt es ab und zu wie Musik?“ und „wo verdient man wirklich Geld mit jedem Lied“ reimte sich immer auf Volksmusik. Und die Ballade „Ein Sonntag im Park, mein Schatz“ entzauberte die romantische Vorstellung der Zweisamkeit durch Stechmücken, Schweiß, Brennnesseln und Ratten in unseren heutigen Parks.
Von Beginn an zog sich ein spielter Streit zwischen den beiden Protagonisten durchs Programm, denn Pianist Norbert Lauter wollte auch einmal brillieren, was sein Sänger immer wieder zu verhindern wußte. Schließlich erzwang Lauter ein Solo, das erzählte, wie bitter das Leben als Klavierbegleiter ist.
Nach großem Applaus und einer Zugabe, bei der Sebastian Coors seine Salonlöwenpuppe präsentierte, endete ein leichter und kurzweiliger Abend im Kulturbahnhof.