Bürgerdialog des Vereins „Zukunftsregion Ahr“ zu Dokumentation und Erinnerung
Beim Flutmuseum überwiegt die Skepsis
Ahrweiler. Die verheerende Flut 2021 hat das Ahrtal und die Ahrtaler verändert. Vieles ist nicht mehr wie es war. Vor allem die Menschen, die Angehörige oder Freunde verloren haben, trauern. Wie gehen Betroffene und Bewohner des Tals mit diesem Erbe um? Wie wollen sie sich erinnern oder erinnert werden? Wie möchten sie den vielen Gästen des Ahrtals die Wunden heute und Narben später näherbringen? Es gibt bereits einige Ideen, wie Stätten der Erinnerung umgesetzt werden könnten. Wie die Bürger das sehen, dafür hatte der Verein „Zukunftsregion Ahr“, dem alle Gebietskörperschaften des Kreises, der Kreis, das Land sowie Vereine, Verbände und auch Privatpersonen angehören, zum offenen Dialog eingeladen. Auch zur Frage nach einem Flutmuseum.
Ursprünglich sollten es zwei Veranstaltungen sein, eine in Ahrweiler, eine in Dümpelfeld. Doch „wegen ungleich weniger Anmeldungen als in Ahrweiler“, wurde Dümpelfeld gestrichen. In der Kreisstadt nutzten dennoch mehr als 50 Bürger die Möglichkeit, unter Moderation von Frank Mies von Shapefruit ihre Meinungen zu äußern – auf Flipcharts und vertiefend in Arbeitsgruppen. „Wir haben uns grundsätzlich nicht festgelegt“, hatte Vereinsgeschäftsführer Christoph Klötzer vor dem Dialog gesagt. „Wir wollen erst einmal schauen.“
„Brauchen wir nicht“
Und wie erwartet, polarisierten die Aussagen der Teilnehmer zu den vorgegebenen Thesen auf den Flipcharts. So bei der These „Eine zentrale Erinnerungsstätte steht im Fokus“. Da reicht das Spektrum der Bürgermeinungen von „Auf gar keinen Fall“ über „Nein“ und „Brauchen wir nicht“ bis hin zu „Die Form hängt von Inhalten ab“ und „Zunächst mal anfangen mit einer Dokumentationsstation“.
Deutlich eindeutiger waren die Kommentare zur These „Erinnern bedeutet auch einen Raum für Wissenschaft zu schaffen“. Hier sind die Meinungen durchweg positiv, gewünscht ist jedoch auch „Sensibilität“ und eine wissenschaftliche Arbeit, „die in die Zukunft gerichtet ist“. Dies aber auch mit der Frage versehen: „Wer bezahlt die wissenschaftliche Arbeit?“
Statements der Teilnehmer von Sinzig bis Hönningen waren auch gefragt zum Thema „Touristische Nutzung, wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen sollten Bestandteil sein“. Da wurde Betroffenheit offenbar, denn eine der Forderungen bei wechselnden Ausstellungen lautete „außerhalb des Ahrtals, nicht innerhalb“. Das deckt sich mit dem Kommentar eine Ahrweiler Bürgerin, die zu Blick aktuell sagte: „Ich bin mit meinem Haus immer noch nicht fertig, ich hab‘ dort Flutmuseum genug.“ Und auch um die Durchführung wurde sich Gedanken gemacht mit „Ohne viele Besuchende keine Wirtschaftlichkeit, daher sind Zielgruppen gerichtete Angebote nötig“. Und auch der Wunsch nach einem „Komplettpaket an einem Ort“ oder „Berichten von Zeitzeugen“ bei Veranstaltungen wurde laut.
Eher ruhig wurde es beim Thema „Raum zum stillen Gedenken“, den es mit der Flutkapelle in den Weinbergen hoch über Walporzheim eigentlich schon gibt. Und auch da gibt es Einschränkungen wie „Nicht in Kombi mit einem Flutmuseum“. Zudem der Hinweis auf das eher private Gedenken und auch darauf, dass „das Gedenken für Externe im Zeitverlauf unwichtiger wird“. „Ja“ und „Ja für jeden“ waren dann eindeutige Voten. Nur schaffen müsste man den Raum eben nicht mehr, die Kapelle steht, ist eingesegnet und wird vom Walporzheimer Kapellenverein betreut. Und das ist im Ahrtal eben noch nicht bekannt genug.
Politische Ursachen
Einschränkungen gab es auch beim Thema „Dokumentation und Erinnerung stehen im Vordergrund. Denn da wird in Kommentaren klar, dass die Bevölkerung auch wieder „etwas anderes sehen will als Tod und Verlust“. Überhaupt sei Rücksicht auf die Betroffenen gefordert und wenn Dokumentation dann auch zu den politischen Ursachen.
Die Geister scheidet hingegen die These „Erinnerung muss überall am Verlauf der Ahr stattfinden“. Denn da kommt das „ja aber“ ins Spiel. Eben „nicht überall“, sondern an ausgewählten Orten, und wichtig, „Erinnerung darf nicht aufgedrängt werden“ und „das Individuum sollte selbst entscheiden ob es erinnert werden möchte“ und dann den ausgewählten Ort aufsuchen.
Viele Gedanken, die jetzt in die Auswertung kommen. Diese soll laut Frank Mies der Hauptversammlung des 60 Mitglieder zählenden Vereins „Zukunftsregion Ahr“ vorgelegt werden und kann als Basis für weitere Schritte dienen. Die Hauptversammlung findet im Herbst statt, die Ergebnisse sollen dann auch zeitnah veröffentlicht werden. GS