Die neue Kläranlage in Remagen soll die modernste und fortschrittlichste Anlage Deutschlands werden
Kläranlage: Neubau wird ein Mammutprojekt
Remagen. Die Ahrflut hat das gesamte Abwassersystem im Ahrtal zerstört, so auch die Sinziger Kläranlage. Sie wird nun an hochwassersicherer Stelle mit bundesweitem Modellcharakter wiederaufgebaut. Das ist das größte wasserwirtschaftliche Wiederaufbauprojekt im Ahrtal mit Investitionen von rund 195 Millionen Euro. Erst vor wenigen Tagen überreichte Umweltministerin Katrin Eder einen ersten Förderbescheid von 20 Millionen Euro zum Start des Neubaus der Kläranlage.
Mit der neuen Kläranlage auf einem hochwassersicheren Standort, unweit der alten Kläranlage, etwa 300 Meter Luftlinie zum Ortsteil Kripp entfernt, wird ein Modellprojekt für das Ahrtal umgesetzt. Ausgestattet mit einer 4. Reinigungsstufe wird die Anlage eine Reinigungsleistungauch für Spurenstoffe bringen, wie diese von der kürzlich verabschiedeten EU-Kommunalabwasserrichtlinie als neuer Stand der Technik gefordert wird. Die Sinziger Kläranlage soll zudem weitgehend energieneutral arbeiten, also möglichst den eigenen Energiebedarf aus dem Faulgas und durch Solarenergie decken. Zugleich ist das Projekt auch ein Modellprojekt der Digitalisierung, in dem die Anlage bereits mit digitalen Methoden geplant wird und durch den Einsatz künstlicher Intelligenz auf den modernsten Stand der Prozesstechnik gehoben wird. Mit dem Bau der Anlage soll 2026 begonnen werden. Die Fertigstellung ist für 2030 geplant. Anschließend wird die alte Anlage im Sinziger Überschwemmungsgebiet abgebaut. Die neue Anlage hat eine Kapazität von 174 000 Einwohnerwerten und umfasst eine Fläche von rund sieben Hektar.
Der Remagener Bürgermeister Björn Ingendahl erklärte als Vorsitzender des Abwasserzweckverbandes Untere Ahr dazu: „Der Neubau der Kläranlage ist durch seine finanzielle und bauliche Größe sowie wegen seiner Bedeutung für die sechs angeschlossenen Kommunen ein Mammut-Projekt im Wiederaufbau. Wir sind dem Land für seine große Unterstützung bei diesem Projekt sehr dankbar.“
Viele Fragen der Zuhörer
In einer Einwohnerversammlung am vorletzten Montag, die mit gut 100 Einwohnern gut besucht war, wurde nach der Begrüßung durch den Vorsitzenden des Abwasserzweckverbandes, Bürgermeister Björn Ingendahl, sowie des Werksleiters Martin Hoffmann, der Zwischenstand zweier Gutachten vorgestellt. Der Diplom-Geograf Björn Siebers vom Planungsbüro Peutz Consult GmbH in Dortmund erläuterte den klimatischen Einfluss des Neubaus der Kläranlage auf die Umgebung. Hier gab es noch wenig Fragen aus der Zuhörerschar. Siebers kam zu dem Fazit, dass, selbst wenn das gesamt Gelände der neuen Anlage betonversiegelt würde, es kaum zu negativen Auswirkungen auf Kaltluftstrom und Erhitzung für Kripp und das Rheintal kommen werde. Seine Berechnungen ergaben, dass negative Auswirkungen nur direkt an der Großanlage spürbar seien.
Für Verunsicherung im Publikum sorgte allerdings die Untersuchung zur möglichen Geruchsbelästigung. Auch wenn das Gutachten von Gabriel Hinze vom Büro „iMA Richter & Röckle“ in Freiburg das Fazit hatte, dass es zu keinen wesentlichen Geruchsbelästigungen für Kripp kommen wird, so waren die Zuhörer verunsichert. Die Windrichtung spielte hier die größte Rolle. Der Gutachter betonte, dass seit November vergangenen Jahres eine Wetterstation am Standort in zehn Meter Höhe die Luftströmungen messe. Der Wind wehe am häufigsten aus Richtung Südost. Das sei aus Richtung Bad Breisig kommend das Rheintal hinab. Dies konnten einige Kripper Bürger nicht nachvollziehen. Der Wind komme doch meistens aus dem Ahrtal, von Westen, und wehe über die Kläranlage direkt in den Ort. Fragen über Fragen kamen aus dem Publikum. Die Antworten waren sehr theoretisch und für Nichtfachleute schwer zu verstehen. Hinzu kam, dass erläutert wurde, dass die Berechnungen für die Geruchsbelästigung von einer denkbar schlechtesten Kläranlagenkonstellation ausgehen würden. Zudem zähle eine „Geruchsstunde“ schon als solche, auch wenn sie nur sechs Minuten anhalte. Spätestens ab da, waren die Prozente der Geruchsbelästigungen, die aus Stunden errechnet worden waren, nicht mehr wirklich umzusetzen. Auch die Erläuterungen von Bürgermeister Björn Ingendahl in seiner Funktion als Vorsitzender des Abwasserzweckverbandes und des Werksleiters Martin Hoffmann, die zu verdeutlichen versuchten, dass man im Gutachten vom schlechtesten aller Fälle ausgegangen sei, die Anlage aber letztlich ja ganz anders aussehen werde, trugen nicht zur Erhellung der Sachlage bei. Die Bürger waren verunsichert, auch wenn der Gutachter betonte, dass eine störende Geruchsbelästigung für Kripp eher nicht zu erwarten sei.
Vielleicht sollte die Verantwortlichen in der Vorbereitung einer solchen Einwohnerversammlung mehr darauf achten, die fachlichen Ausführungen allgemeinverständlicher zu formulieren.
AB