Ukrainische Musiker füllten das Atelier Farbform mit Klängen
Flimmernde Musik zwischen alt und neu
Montabaur.Die Konzertreihe Lauschvisite präsentiert seit nunmehr sieben Jahren internationale Spezialisten für experimentelle Musik im Westerwald. Am vergangenen Sonntag begrüsste Initiatorin Eva Zöllner drei ukrainische Musiker zur Lauschvisite, die diesmal im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz stattfand. Sie zogen das Publikum im Atelier Farbform in der Peterstorstrasse mit einer ungewöhnlichen Ensemblebesetzung in ihren Bann. Julia Vash ist Cembalistin und als solche auf Barockmusik spezialisiert. Maxim Kolomiiets ist Oboist, komponiert zeitgenössische Musik (zuletzt u.a. für das Gewandhaus in Leipzig) und bediente auf der Bühne ausserdem allerlei Tastaturen und elektronische Gerätschaften, deren Klänge mit denen des Cembalos auf wundersame Weise verschmolzen. Oleh Spudeiko ist unter dem Künstlernamen Heinali international als Elektronikmusiker mit seinem Modularsynthesizer unterwegs. Er spielte virtuos mit Drehknöpfen und Kabeln und erzeugte damit Klangflächen und Akkordbrechungen, die in der transparenten Akustik des Ateliers eine besondere Wirkung entfalteten.
Die Musik, die die drei auf die Bühne brachten, war alt und neu zugleich. Zugrunde lag das berühmte Thema aus Johann Sebastian Bachs „Musikalischem Opfer“, welches zunächst nicht vom Originalinstrument, dem Cembalo, sondern von den glasklaren Tönen des Modularsynthesizers erzeugt durch die Raum zu schweben schien. Daraus entwickelten die Musiker einen flimmernden Klangteppich, der Fragmente aus der Musik Bachs im Original erklingen liess, sie in neue Klänge einbettete, verfremdete, mit der Oboe durch den Raum wandern liess und in elektronische Klangflächen auflöste. Das Publikum lauschte fasziniert diesem Dialog zwischen den Epochen und sowohl Liebhaber klassischer Musik als auch aktueller Klangkunst kamen auf ihre Kosten.
Das Programm endetet mit einem weniger bekannten Werk Bachs und spannte so einen Bogen zu den aktuellen Ereignissen unserer Zeit: Im Jahr 1709 komponierte Johann Sebastian ein Capriccio als Abschiedsgeschenk für seinen älteren Bruder Johann Jacob, der in den Krieg nach Poltawa in der Ukraine zog. Unerwartet fröhlich kam diese Melodie daher, konnten aber doch den Schmerz nicht verbergen, den die Musiker heute über die Ereignisse in ihrer Heimat empfinden. Die Klänge hallten in den Köpfen der Zuhörer noch lange nach und regten an, nach der Veranstaltung miteinander ins Gespräch zu kommen.