Neulich am Schaukasten
Von Gregor Schürer
Neulich bringe ich jemanden zum Zug. Wir betreten den Bahnhof von der Rückseite her durch eine Unterführung. In dieser Unterführung sind mehrere Schaukästen angebracht. Darin befinden sich Fahrpläne, Informationen für Reisende, Werbeplakate.
Da die Züge am Wochenende wegen Bauarbeiten an der Strecke nicht fahren, verkehrt Schienenersatzverkehr, kurz SEV, in Form von Bussen. Diese Busse fahren auf der Vorderseite des Bahnhofs. Vermutlich weil so viele Menschen fragen und manche nicht wissen, dass die Strecke gesperrt ist, hängen überall Zettel. „Schienenersatzverkehr, Busse fahren alle halbe Stunde 20 nach und 10 vor“ steht darauf. Mit krakeliger Schrift von Hand auf weißes DIN A4-Papier geschrieben. Die Zettel kleben an den Fliesen, auf dem Glas der Schaukästen, an den Wänden.
Während ich meine Begleitperson zum SEV an der Bushaltestelle bringe, frage ich mich, warum um alles in der Welt man im IT-Zeitalter zehn oder mehr Zettel mühevoll von Hand schreibt, statt einmal mühelos und dazu noch für alle leserlich auf einem Textprogramm am Computer und dann ausdruckt. Wie immer beantwortet mir keine Stimme aus dem Jenseits meine Frage.
Auf dem Rückweg treffe ich in der Unterführung auf einen Bahnmitarbeiter, der wie ein Rohrspatz schimpfend hindurch läuft. „Ich glaub´s ja nicht“, zetert der kräftige junge Mann, weil einige der Zettel einfach abgerissen und auf den Boden geworden wurden. „So eine Unverschämtheit, jetzt muss ich alle wieder neu aufhängen.“ Er hat noch einige der handgeschriebenen Zettel dabei und will sie gerade mit Klebeband auf einem der Kästen befestigen.
Ich beschließe, dieses Mal nicht mein Innerstes zu fragen, sondern ihn: „Warum hängen Sie die Zettel denn nicht IN die Schaukästen, sondern oben drauf? Dann kann sie Ihnen auch niemand abreißen“, ist mein ultimativer Tipp.
Seine Antwort macht mich sprachlos. Liebe Leserinnen und Leser, er sagt wirklich und wahrhaftig: „Ich werde diese Kästen niemals öffnen, auf keinen Fall. Nicht mit meiner Spinnenphobie“.