Vor 90 Jahren wurde Erich Klausener ermordet

Der Mörder kam zur Mittagszeit

Ein SS-Scherge tötete den ehemaligen Adenauer Landrat in Berlin

Der Mörder kam zur Mittagszeit

Erich Klausener sechs Tage vor seiner Ermordung als Redner der Katholischen Aktion im Berliner Hoppegarten. Foto: Bundesarchiv

15.06.2024 - 10:07

Kreis Ahrweiler. „Suchen Sie Klausener und erschießen Sie ihn.“ Sieben Worte von Reinhard Heydrich bedeuteten am 30. Juni 1934 das Todesurteil für den Mann, dessen Namen das Adenauer Gymnasium heute noch trägt.

Erich Klausener gilt als Figur des katholischen Widerstandes im Dritten Reich. Er war Vertrauter von Vize-Kanzler Franz von Papen und von 1917 bis 1919 Landrat des damaligen Kreises Adenau. Heute erinnert ein Bild im Ahrweiler Kreishaus an den Mann, der im Zuge des sogenannten Röhm-Putsches von einem SS-Schergen hinterrücks gemeuchelt wurde - in seinem Dienstzimmer im Berliner Verkehrsministerium, sechs Tage nach seiner letzten Rede vor der Katholischen Aktion im Hoppegarten.

Und auch der Name seines Mörders ist bekannt. Es war der SS-Hauptsturmführer Kurt Gildisch. Ihm gab der Chef des Reichssicherheitshauptamtes am 30. Juni 1934 um 10 Uhr den verhängnisvollen Befehl. Was dann geschah, hat der französische Historiker Max Gallo in seinem Buch „La nuit des longs couteaux“ (Die Nacht der langen Messer) rekonstruiert:

13 Uhr: Vor dem Verkehrsministerium fragt SS-Hauptsturmführer Gildisch nach Ministerialdirektor Klausener. Langsam steigt Gildisch die Treppe hinauf und begegnet Klausener, der sich soeben die Hände gewaschen hat. Klausener sieht Gildisch und erkennt zweifellos sofort die Bedrohung.

Der Schuss im Dienstzimmer

Einen Stock höher, im Büro des Ministerialdirigenten Othmar Fessler, läutet das Telefon. Es ist Klausener, seine Stimme klingt ängstlich: „Kommen Sie bitte sofort zu mir.“ Fessler verlässt etwas erstaunt sein Büro, aber es ist schon zu spät. Gildisch ist in das Zimmer von Klausener getreten, und als Klausener sich, erstaunt darüber, verhaftet zu sein, umwendet, um seinen Hut zu nehmen, schießt Gildisch. Ein Schuss in den Kopf.

Dann ergreift er das Telefon, erstattet kurz Bericht und bittet um weitere Befehle. Selbstmord vortäuschen. Also drückt er Klausener seine Pistole in die Hand. Gildisch verlässt den Raum, sieht sich nicht einmal mehr um, hört aber noch den Amtsdiener mit entsetzter Stimme zu Fessler sagen: „Der Herr Direktor hat Selbstmord begangen, er hat sich eine Kugel in den Kopf gejagt.“

Bei einer Pressekonferenz führte Innenminister Hermann Göring den Vorfall jedoch neben anderen Taten als „bedauerlichen Irrtum“ an. Insbesondere von katholischer Seite gab es empörte Reaktionen. Juristisch wurde eine Schadensersatzklage gegen das Deutsche Reich und das Land Preußen erhoben.

Es erfolgten jedoch erhebliche Repressalien. So wurden die mit der Sache betrauten Anwälte Werner Pünder und Erich Wedell in sogenannte Schutzhaft verbracht. Und: Ein Vetter von Klausener, Leo Statz, Düsseldorfer Fabrikant, wurde am 1. November 1943 von den Nationalsozialisten nach einem Urteil des Volksgerichtshofes unter Vorsitz von Roland Freisler wegen „Wehrkraftzersetzung“ ermordet.

Görings Mordkommando

Klausener ist nicht das einzige Opfer des 30. Juni 1934, an dem auch fast die komplette Führung der SA exekutiert wurde. Schon Wochen vorher hatte die Gestapo von Göring Listen mit Nummern, die sich auf bestimmte Personen bezogen, erhalten. Während Gildischs 18-köpfiges Mordkommando diese „abarbeitet“, servieren livrierte Lakaien Göring und Himmler Getränke.

Zeitsprung: Beinahe wäre der Mord an Klausener ungesühnt geblieben. Doch wurde 1949 dem damals 45-jährigen Gildisch seine Prahlerei zum Verhängnis. Im Jahr der Gründung der Bundesrepublik wurde er an einem Berliner Bahnhof von einem alten Bekannten erkannt, vor dem er sich 1934 des Mordes an Erich Klausener gebrüstet hatte.

Der Mann zeigte den SS-Mann, der im Krieg zur Division Nordland gehörte und ein Bein verloren hatte, bei der Polizei an. Gildisch wurde verhaftet und nach einem Verfahren beim Landgericht Berlin in den Jahren von 1951 bis 1953 vom Schwurgericht Berlin am 18. Mai 1953 wegen Mordes an Klausener zu einer Zuchthaustrafe von 15 Jahren verurteilt. Die lange Haft blieb ihm erspart, er starb noch im selben Jahr.

Gedenken an Klausener

Gildisch wurde vergessen. Klausener jedoch nicht. Das Adenauer Gymnasium trägt seinen Namen. Zu Ehren von Klausener gab die Deutsche Bundespost am 8. Mai 1984 eine Briefmarke heraus. Die Stadt Berlin erinnert an Klausener mit einer Gedenktafel in der Keithstraße 8 im Bezirk Tempelhof-Schöneberg sowie in der Behrenstraße im Bezirk Mitte. Auch haben etliche Städte in Deutschland Straßen, Plätze oder, wie Adenau, Schulen nach Klausener benannt.

Auch gibt es heute bundesweit den Klausener-Bund, eine Gesellschaft zur Pflege christlicher Weltanschauung. Das wieder Adenau ins Spiel, denn die Bürger der einstigen Wirkungsstätte des Landrates halten ihn hoch in Ehren - wegen seines Eintretens für den katholischen Glauben. Da passt es nur zu gut, dass eine mögliche Seligsprechung Klausener durch den Papst von Theologen bereits thematisiert wurde.

Ein versoffener Schurke

Die Karriere eines Mörders: 1925 trat Kurt Gildisch (Jahrgang 1904) in die Berliner Schutzpolizei ein. Nachdem sein Ruf dort bereits seit einigen Jahren aufgrund von starker Unachtsamkeit und einem Hang zum Alkohol gelitten hatte, wurde er 1931 wegen seiner Verbindungen zur NSDAP entlassen.

Nach seinem Ausscheiden aus der Polizei trat Gildisch der NSDAP offiziell bei (Mitgliedsnummer 690762). Nachdem er kurzzeitig der Sturmabteilung (SA) angehört hatte, wechselte Gildisch Ende 1931 in die Schutzstaffel (SS) und erhielt die Mitgliedsnummer 13138. Im April 1933 wurde Gildisch zum Kommandeur des Führerbegleitkommandos, der Leibwache Adolf Hitlers, ernannt.

Aufgrund von massivem Alkoholismus wurde er im Juni 1934 durch Himmler aus dieser Position wieder entfernt. Zuvor war er zum Sturmführer (1. Juli 1933), SS-Obersturmführer (1. September 1933) und SS-Hauptsturmführer (9. November 1933) ernannt worden. GS

Artikel bewerten

rating rating rating rating rating
Stellenmarkt
Weitere Berichte

Unfall auf B62

Zu schnell und ohne Führerschein: 24-Jährige bei Unfall schwer verletzt

Wallmenroth. Am Dienstag, 2. Juli, um 19 Uhr, befuhr eine 24-jährige Frau mit einem Opel Corsa die B62 in Wallmenroth aus Richtung Betzdorf kommend. In einer Linkskurve verlor sie aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit die Kontrolle über ihr Fahrzeug und schleuderte über die regennasse Fahrbahn. Der PKW prallte schließlich gegen die Schutzplanke der Gegenfahrbahn, wodurch sowohl das Fahrzeug und als auch die Leitplanke beschädigt wurden. mehr...

Teilnehmer verhielten sich laut Polizei „durchweg friedlich“

Neuwied: Auffahrunfall bei türkischem Autokorso

Neuwied. Am 1./2. Juli, im Zeitraum von 23 bis 0.30 Uhr, fand nach dem EM-Spiel Österreich gegen die Türkei in Teilen der Neuwieder Innenstadt ein Autokorso türkischer Fußballfans statt. An dem Autokorso nahmen etwa 100 Personen teil, die sich durchweg friedlich verhielten. mehr...

Regional+
 

Linux-Treffen

Kreis Ahrweiler. Das nächste Live-Treffen der Linux User Group Ahrtal findet am 17.07.2024 um 20:30 Uhr statt. Anwender freier und offener Software kommen regelmäßig jeden 3. Mittwoch im Monat zusammen, um Informationen auszutauschen und Gedanken zu teilen. Wir stehen gerne bei Problemen rund um Linux und Smartphones mit Rat und Tat zur Seite. mehr...

Anzeige
 
Sie müssen angemeldet sein, um einen Leserbeitrag erstellen zu können.
Weitere Berichte
Niedermendig: Imbissbude stand in Flammen

Dank der Feuerwehr konnte ein Übergreifen des Feuers auf angrenzende Gebäude verhindert werden.

Niedermendig: Imbissbude stand in Flammen

Niedermendig. Die integrierte Einsatzleitstelle Koblenz alarmierte am späten Vormittag die Feuerwehren Mendig, Bell und Thür aufgrund eines Brands einer Imbissbude in der Siemensstraße in Niedermendig.... mehr...

Kleinbus gerät in Gegenverkehr

Drei Personen bei Verkehrsunfall verletzt

Kleinbus gerät in Gegenverkehr

Region. In Ruppichteroth kam es am Dienstag zu einem Verkehrsunfall unter Beteiligung eines Kleinbusses, bei dem drei Personen verletzt wurden. Gegen 17.40 Uhr fuhr eine 60 Jahre alte Frau mit ihrem als... mehr...

Ortsverband Montabaur Bündnis 90/ Die Grünen

Von Montabaur nach Diez

Montabaur. Anlässlich des autofreien Gelbachtals lädt der Ortsverband Montabaur Bündnis 90/ Die Grünen am Sonntag, dem 14. Juli, zur gemeinsamen Radtour von Montabaur nach Diez ein. Start ist um 10 Uhr... mehr...

Gespräch mit Anette Moesta

Andernach/Pellenz/Mendig. Alle interessierten Bürgerinnen und Bürger sind zu einer Bürgersprechstunde eingeladen. Die nächste Möglichkeit zu einem persönlichen Gespräch ist am Montag, 22. Juli von 10 bis 12 Uhr geplant. mehr...

Spannende Duelle und knappe Entscheidungen

Süwag-Cup 2024

Spannende Duelle und knappe Entscheidungen

Linz. Auf dem Linzer Kaiserberg fand wieder der traditionelle Süwag-Cup der JSG Linz/Rheinbrohl statt. An beiden Tagen fanden insgesamt vier Turniere von der D-Jugend bis zu den Bambini statt. mehr...

Erstmals mit Damen-Doppel

15. „Tannenhof“-Open beim TC Maischeid

Erstmals mit Damen-Doppel

Großmaischeid. Beim TC Maischeid finden vom 2. bis 4. August wieder die beliebten „Tannenhof“ Open statt. Bereits zum 15. mal messen sich auf der Anlage des TC Maischeid die Tennisspieler/innen miteinander in den verschiedensten Altersklassen. mehr...

Isabella Chetik erneut Rheinland-Pfalz Meisterin

TV Niederbieber 1883

Isabella Chetik erneut Rheinland-Pfalz Meisterin

Neuwied. Die Turnerin Isabella Chetik vom TV Niederbieber 1883 e.V. trat bei den RLP-Mehrkampfmeisterschaften im Deutschen Sechskampf an. Aufgrund der fortwährend bestehenden Sperrung der Turnhalle Niederbieber trat Isabella auch in diesem Jahr für den TV 08 Baumbach an. mehr...

LESETIPPS
GelesenNeueste
Kommentare
K. Schmidt:
Faszinierend ist es ja schon, dass die AfD sich hier immer noch als "Alternative zur Altparteienpolitik" positioniert. Denn auch wenn es sie erst seit 11 Jahren gibt, hat sich doch schon vieles, was man negativ mit den sog. Altparteien in Verbindung bringen kann, selber durchlebt. Mit Personalspielchen,...

Wenn die Hitze zum Gesundheitsrisiko wird

Gabriele Friedrich:
Die Hitze ist nicht das Problem sondern die Luftfeuchtigkeit. Bei Hitze -auch wenn gegenteiliges propagandiert wird gibt es nur eine Lösung: Löcher auf ! und zwar den ganzen Tag und mit Durchzug. Und selbstverständlich fliegen wir wie jedes Jahr nach Spanien, weil es da nun einmal generell wärmer...
Amir Samed:
„Gesundheitsrisiko Hitze“, in einem der kältesten Länder der Welt. Und viele Millionen reisen in die wärmeren, wärmsten, Länder um Urlaub zu machen. "Klimaanpassungsmanagerin" ist ein ebenso absolut unsinniges Konstrukt, hier werden Posten geschaffen die die Welt nicht braucht....
K. Schmidt:
Man mag es kaum ausdrücken, weil man am Ende ja doch wieder schwarz-weiß im Kreise der "Klimaleugner" o.ä. verortet wird, allerdings ist es doch eigentlich unstrittig, dass es so warme Sommertage, Hitzetage und -nächte auch schon bei meinen Eltern in der Jugend immer wieder gab. Ob die nun zunehmen,...

Demo in Essen

K. Schmidt:
Wortspiele mit "Ahr" und "SolidAHRität" war man bisher v.a. im Nachgang der Flutkatastrophe gewöhnt, da musste ja am Ende übertrieben jeder der etwas auf sich hielt diese drei Buchstaben in irgendeiner Weise im Namen tragen. Ohne gings ja nicht. Das war schon etwas nervig, wenn man wie wir jahrzehntelang...
Amir Samed:
Zitat: "SolidAHRität für unsere Demokratie " - Die Teilnahme an einer Demonstration gegen den Bundesparteitag einer Partei ist insofern Undemokratisch, da dieser Parteitag ein gesetzliche Pflicht ist / war. Es waren auch die üblichen "demokratischen Kräfte" vor Ort, davon zeugen 28 verletzte Polizisten,...
Haftnotiz+
aktuelle Beilagen
Inhalt kann nicht geladen werden

 

Firma eintragen und Reichweite erhöhen!
Service