Wissenschaft-Praxis-Dialog für den Wiederaufbau in den Flutgebieten in Rheinland-Pfalz in Heimersheim
Erfahrungen aus dem Ahrtal für andere Regionen nutzen
Heimersheim. „KAHR“ – ausnahmsweise keine Wortspielerei mit Ahr. „KAHR“ ist ein Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, wobei die Buchstaben für Klima-Anpassung, Hochwasser und Resilienz stehen. Grund des Projektes: Der nach der Flut erforderliche Wiederaufbau des vor drei Jahren stark zerstörten Ahrtals, der laut Landrätin Cornelia Weigand „größten Baustelle Deutschlands“, wird nach dem Willen von Bund und Land eng wissenschaftlich begleitet. Es geht im Austausch von Wissenschaft und Praxis darum, aus den Erfahrungen aus dem Ahrtal für andere Regionen zu lernen.
Ein solcher Dialog ging jetzt in Kooperation von Bund, Land, Kreis und Kompetenznetzwerk „Wissenschaft für den Wiederaufbau“ über die Bühne. Dabei erklärte Staatssekretär Erwin Manz aus dem Mainzer Umweltministerium: „In Rheinland-Pfalz gibt es bereits eine gute Verzahnung zwischen den im Katastrophenfall handelnden Akteuren und der Wissenschaft. Nicht aber bundesweit. Das wollen wir mit dieser Veranstaltung verbessern.“
Umsetzbarkeit und Akzeptanz
Die Flut im Juli 2021 hatte im Ahrtal zu einer Katastrophe bislang nicht gekannten Ausmaßes geführt. Bund und Land begleiten mit „KAHR“ den Wiederaufbauprozess und wollen einen wissenschaftlichen Beitrag zum Hochwasserrisikomanagement leisten, zur resilienteren Gestaltung beitragen. In den Modell-Gebieten des Projektes werden die jeweiligen Phasen innerhalb des Wiederaufbaus ermittelt und Akteure beraten. „Ziel ist das Schaffen von Demonstrationsprojekten, das Sensibilisieren für Risiko und Defizite, das Weiterentwickeln von Bewertungskriterien für einzelne Maßnahmen und das Verbessern der Umsetzbarkeit und Akzeptanz“, sagte Weigand vor dem Plenum aus Wissenschaftlern, Wiederaufbauexperten und Behördenvertretern in Heimersheim.
Geplant sind eine Überarbeitung der Hochwassergefahrenkarten und eine Neubewertung der Orientierung an „starren Eintrittswahrscheinlichkeiten sowie das Überprüfen konkreter Maßnahmen anhand verschiedener Szenarien“, wie es vom Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Technischen Hochschule Aachen heißt. Dieses befasst sich unter Federführung von Professor Dr. Holger Schüttrumpf mit der Situation im Ahrtal, ließ für die Auswertung die Veranstaltung auch aufzeichnen.
Ziel ist auch, Hochwasser- und Starkregen-Risikokonzepte weiter zu entwickeln, den resilienten Wiederaufbau kritischer Infrastrukturen zu begleiten und den Schutz von besonders kritischen Infrastrukturen erhöhen. Untersucht werden sollen außerdem die Wege der Entscheidungsprozesse im Wiederaufbau. Dies mit der Maßgabe, schneller, besser und effizienter zu werden. Oder wie Weigand es formulierte: „Fragen klären, die noch offen sind. Klären, wie muss geplant werden.“ Es gehe um zukunftsgerichteten, resilienten und nachhaltigen Wiederaufbau.
Zehn Empfehlungen
Zehn Empfehlungen hat „KAHR“ bisher erarbeitet: Von der Vorgehensweise bei Brücken bis hin zu neuen Schutzstandards. „Die sind durchaus hilfereich“, sagte Kreisstadt-Bürgermeister Guido Orthen zu Blick aktuell. Sie helfen uns bei der Argumentation gegenüber Behörden bei Wiederaufbauprojekten. – Leider aber nicht bei einer gewünschten Zusammenlegung von Ahrthermen und Twin.“ Auch Weigand lieferte ein Beispiel: Gegen den Wiederaufbau der Levana-Schule am alten Platz in Bachem spreche die Schwierigkeit, Schüler mit Einschränkungen schnell evakuieren zu können. Das sage das Bauchgefühl. „KAHR“ untermauere dieses mit wissenschaftlichen Fakten. Diesen Austausch nannte Weigand einen „Mehrwert in beide Richtungen“.
„Klima-Anpassung, Hochwasser, Resilienz“ ist ein bundesweites, begleitendes Forschungsprojekt. Der Wissenschafts-Praxis-Dialog hat zum Ziel, entstehende und bereits sichtbare Innovationen im Wiederaufbau zu diskutieren und dabei auch die Rolle der Wissenschaft im Rahmen des Wiederaufbaus zu beleuchten, erklärte Erwin Manz (Grüne) aus dem Mainzer Umweltministerium. Dabei würden sehr unterschiedliche Handlungsfelder und Themenbereiche betrachtet, die von der Gewässerwiederherstellung der Ahr über die Veränderung der Energieversorgung bis zu sozialen und kritischen Infrastrukturen und dem Bevölkerungsschutz reichten.
Steigerung der Resilienz
„Ziel ist vorrangig, in den betroffenen Gebieten einen Beitrag zur Steigerung der Hochwasser-Resilienz zu leisten“, sagte Manz. Konkret bedeute dies, dass über neue wissenschaftliche Erkenntnisse praktische Fragen des hochwasserresilienten (Wieder-)Aufbaus beantwortet würden. Mit hydronumerischen Simulationen, Retentionsraumanalysen und Planspiele zu risikobasierter Raumplanung sowie gezielter Weiterbildung der Technischen Hilfswerke und der Feuerwehren würden flutbetroffene Regionen direkt unterstützt, so der Staatssekretär.
Aus der Ahrweiler Kreisverwaltung sprach bei den Impulsvorträgen Fachbereichsleiterin Anja Toenneßen über die Gewässerwiederherstellung an der Ahr. Erich Seul, ebenfalls Fachbereichsleiter im Kreishaus, berichtete über die Herausforderungen, die mit einem hochwasserangepassten Wiederaufbau des Förderschulzentrums in Bachem verbunden sind. Nik Kozisek aus Rech teilte seine Erfahrungen mit dem im Weinort geschaffene Projekt „Kalte Dorfwärme“ mit, und der Sinziger THW-Ortsbeauftragte Daniel Gronwald ging auf die Vernetzung von Katastrophenschutz, Wasserwirtschaft und die Wissenschaft ein.
GS