Leben mit der Glasknochenkrankheit

„Ich glaube, es hat geknackt“

„Ich glaube, es hat geknackt“

„Ein Kind mit OI zu haben ist eine Lebensaufgabe“ so die 21-jährige Mutter.

09.11.2017 - 15:26

Region. Johanna wohnt mit ihrem Freund Ferhat bei ihren Eltern in Koblenz. Sie ist 19 Jahre alt und im 5. Monat schwanger, als die Ärzte bei einer Routineuntersuchung einen verkürzten Oberschenkelknochen bei ihrem Embryo entdecken. Die Feindiagnostik in der Bonner Universitäts-Frauenklinik schockiert die ganze Familie: Osteogenesis Imperfecta (OI), im Volksmund auch Glasknochenkrankheit genannt.


Schockierende Diagnose


Die werdende Mutter bekommt die Diagnose telefonisch mitgeteilt und bricht zusammen. Aber sie erholt sich, beendet tapfer ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin und bereitet alles für die Geburt der kleinen Nele Emine vor. Eine Abtreibung kam für sie nie in Frage. Zwei Tage vor Heilig Abend 2015 wird das Kind per Kaiserschnitt in der Bonner Uniklinik geholt; erst sechs Stunden später darf die Mutter ihre Tochter auf der Intensivstation zum ersten Mal sehen.

Nur etwa 6.000 aller Deutschen leiden unter OI, was wörtlich übersetzt unvollkommene Knochenbildung heißt. Diese Krankheit geht auf einen Gendefekt zurück und ihr Leitsymptom sind tatsächlich ständige Knochenbrüche. Aber der eigentliche Defekt liegt in einer Störung des Kollagenhaushaltes als eine wichtige Struktur des Bindegewebes. Dieser Defekt wirkt sich nicht nur auf die Knochen, sondern unter anderem auch auf Muskeln, Sehnen, Bänder und Knorpel aus.

Schon bei der Geburt brachen die Ärzte Neles Oberschenkel und einen Unterschenkel. Aus Angst vor weiteren Brüchen vor allem der Rippenknochen legte man Nele in ein Wattebettchen, wickelte sie gerade dreimal täglich und verzichtete auf das Baden. Und erst am dritten Tag durfte die junge Mutter ihr Baby in den Armen halten. Um Nele besser versorgen zu können, verlegte man sie kurz nach Weihnachten in die Kölner Universitätsklinik. Denn Nele hat OI Typ III, eine Extremform der Krankheit mit Kleinwüchsigkeit und der höchsten Neigung zu Deformierungen, Knochenbrüchen mit Atemproblemen und einer Dunkelfärbung der Augenhaut.


Besuch vom Bunten Kreis


In der pädiatrischen Osteologie der Kölner Unikinderklinik wurden Johanna und Ferhat zunächst einmal umfassend über OI aufgeklärt, Nele wurde gebadet und bekam endlich Gipsverbände für ihre Beinchen. Britta Neumann vom Bunten Kreis Rheinland besuchte die Familie auf der Station und bot Hilfe nach Neles Entlassung an. Dagmar van den Berg vom Bunten Kreis im Team Koblenz übernahm die sozialmedizinische Nachsorge für Nele. Sie half der Familie bei der Beantragung des Pflegegrades für Nele, verhandelte mit der Krankenkasse und vernetzte mit Ärzten, Physiotherapeuten oder anderen betroffenen Familien. „Am wichtigsten waren mir aber die vielen langen Gespräche mit Dagmar“ schwärmt Johanna. „Ich hatte endlich jemanden, der mir zuhörte, der mir Ratschläge gab und der mir meine Ängste genommen hat.“ Und sie hofft, dass der Bunte Kreis bald wieder ausreichend Spendengelder bekommt, damit die Nachsorge ein weiteres Mal verlängert werden kann.


Nur Osteopath darf sich Nele nähern


Nele ist heute 18 Monate alt. Johanna wohnt mit ihrem Lebenspartner und Nele mittlerweile in einer eigenen Wohnung. Nele hat wunderschöne dunkle Augen, lange dunkle Haare und wenn sie lacht, geht die Sonne in der kleinen Wohnung auf. Bis heute wurden ihr etwa zwanzig Mal die Knochen gebrochen, die meisten durch Physiotherapie oder Gipsverbände. „Ich glaube, es hat geknackt“ - diesen Satz habe ich schon so oft gehört.“ Jetzt mobilisiert die junge Mutter Neles Arme und Beine selber und verabreicht ihr Schmerztabletten statt Gipsverbände. Lediglich ein Osteopath darf sich ihrer Tochter nähern.

Alle drei Monate bekommt Nele in Köln eine Infusion mit Bisphosphonaten; der Zugang wird meist am Kopf gelegt, um das Bruch-Risiko möglichst gering zu halten. Vor gut einem Jahr entwickelte Nele dann nach einer solchen Infusion einen riesigen Wasserkopf mit 54 cm Umfang. In der Kinderklinik St. Augustin bekam das Baby einen Drainage-Shunt, bis heute hat sich ihr Kopfumfang auf 48 cm verkleinert.

„Ein Kind mit OI zu haben ist eine Lebensaufgabe“ so die 21-jährige Mutter. „Ich habe viel gelernt in den letzten Monaten und heute fühle ich mich stark genug, mit Nele so umzugehen wie andere Mütter es mit ihren normalen Kindern auch tun.“ Johanna Schmidt wird Ende dieses Jahres ihren Beruf aufnehmen und Nele wird in den Kindergarten gehen. „Es kann sein, dass Nele für den Rest ihres Lebens einen Rollstuhl brauchen wird, aber das glaube ich nicht. Ich sehe sie laufen und aufwachsen wie alle anderen Kinder auch.“ Hut ab vor dieser jungen Mutter, ihrer Kraft und ihrem Optimismus!

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