Starker Auftritt der Berliner Compagnie in Höhr-Grenzhausen
Im Himmel sind alle gleich
„Anders als du glaubst - Theaterstück über Juden, Christen, Muslime und den Riss durch die Welt“ stellt existenzielle Fragen
Höhr-Grenzhausen. Die Theatergruppe der Berliner Compagnie präsentierte im Saal des Vereinshauses Till Eulenspiegel die Vorstellung „Anders als du glaubst - Theaterstück über Juden, Christen, Muslime und den Riss durch die Welt“. Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“, welches vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird, sich aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit richtet und bundesweit Initiativen, Vereine und engagierte Bürgerinnen und Bürger in ihrer Arbeit für ein tolerantes, gewaltfreies und demokratisches Miteinander unterstützt, konnte das Projekt Arbeit und Lernen P.A.u.L. e.V. die Aufführung dieses Theaterstücks nach Höhr-Grenzhausen bringen. Auf Grund der Förderung war der Eintritt kostenlos. Einlass war um 19 Uhr, und der Saal mit den knapp 170 Sitzplätzen füllte sich schnell bis auf den letzten Stuhl. Nachdem das Licht im Saal erloschen war, wurde es mucksmäuschenstill und die Zuschauer, unter denen sich sowohl langjährige Bewunderer dieser kritischen Schauspielkunst als auch neugierige Zuschauerdebütanten befanden, erwarteten voll Spannung die Aufführung des fünfköpfigen Ensembles. Fünf Menschen liegen auf der Bühne und tragen Fußzettel. Einer nach dem anderen erhebt und fragt sich, wo er ist. Nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass sie sich nach einem tödlichen Anschlag im postmortalen Niemandsland befinden. Oder ist es die Vorhölle oder sogar der Weg ins Paradies? Ist es das Leben nach dem Tod? Sind sie gar im Himmel gelandet? Bei der Betrachtung ihrer eigenen Bestattungen und Trauerfeiern, verbunden mit den jeweiligen religiösen Gebräuchen, von oben herab auf die Erde wird schnell klar, dass es sich um Menschen handelt, die in ihrer Religiosität und Weltanschauung unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Muslima Mariam Samet, die Christin Kathi Hoffmann, der Rabbi Jehoschua Benda, der linke Atheist Günther Schulz und der nihilistische Skeptiker Gottfried Kranz bieten im Folgenden eine herausragende schauspielerische Auseinandersetzung zwischen den drei großen Weltreligionen und Hauptideologien, gespickt mit vielen Wortspielen, fantastischen Formulierungen, die treffender nicht sein könnten und dem Publikum mit ihrer kritischen Beleuchtung der Dinge allen Grund zum Nachdenken, aber durch die karikierende Darstellung auch zum Schmunzeln geben. Zunächst beschimpfen sie sich gegenseitig, allerdings wird ihnen schnell klar, dass sie sich nicht mehr töten können, denn sie sind ja bereits Ahnen. Eine kindliche Stimme, die wahlweise Gott, Allah oder Elohim sein kann, schickt die Gruppe auf eine (Urlaubs-)Reise zurück auf die Erde, um zu helfen und vor allem, um das Gute, das in ihren Weltanschauungen und Religionen steckt, zu ergründen. Nacheinander begeben sich die fünf Toten in die Krisengebiete der Welt zu menschengemachten Orten der Hölle, beispielsweise nach Burkina Faso, Somalia oder Israel, diskutieren dort mit den Lebenden und versuchen, sie zum Guten zu bekehren. Ausdruckstark und gefühlvoll, lachend oder weinend meistern sie ihren Einsatz mehr oder weniger erfolgreich. Ihr Eingreifen verschlimmert sogar manchmal die Situation auf der Erde. Sie diskutieren hartnäckig mit den Erdenbewohnern, die zum Teil die Religion mit ihrer Glaubensschrift als Rechtfertigung zum Morden nutzen. Religion hält her für Terroranschläge, Mord und Totschlag. Aber ist es denn die Aufgabe der Religion, Gesetze zu erlassen? Ist es richtig, für die Religion zu sterben? Sollte man nicht besser sagen: „Ich liebe das Leben“? Gibt die Religion einem Anhänger und Gläubigen das Recht, über Leben und Tod anderer Menschen zu entscheiden? Diese und weitere Fragen werden in dieser Aufführung herausgestellt und diskutiert. Es werden Aussagen getroffen, die wahrer nicht sein können, wie zum Beispiel: „Geschichte ist die Wissenschaft vom Unglück der Menschen.“ Das Stück arbeitet heraus, dass die Religionen oft in anderem Sinne verwendet und ausgelegt werden als sie gedacht sind, denn ursprünglich wollen sie lindern, trösten und Frieden bringen und nicht (selbst)morden und Menschen aus ihrem eigenen Land und ihrer Heimat aus Angst vor Krieg, Gewalt und Terror vertreiben. Die Flüchtlingskrise und Al-Qaida bekommen in diesem Stück genauso ihr Fett weg wie die politischen Themen Billigfleisch, Agrarpolitik und Preisdumping. Im Laufe der Aufführung kristallisieren die Akteure deutlich die Verantwortlichkeit der EU-Politik für Entwicklungsblockaden des afrikanischen Kontinents heraus. Aufgezeigt wird ebenso die Revolution von Thomas Sankara in Burkina Faso und die Umstände, die zu seiner Ermordung führten. Am Beispiel des Rohkaffeekonzerns Neumann findet auch die Diskussion um die Vertreibung von Kleinbauern in Uganda Beachtung in der Aufführung. Viele weitere Beispiele für Ungerechtigkeit und Leiden auf der Welt haben Platz in diesem Schaustück. Schließlich finden sich alle im Himmel wieder. Dort zurück, stoßen die fünf Reisenden auf der Suche nach Gemeinsamkeiten in ihren Überlegungen auf Abraham als Urvater und Ausgangspunkt der drei Religionen. Nicht zuletzt auch die gleiche Aufmachung ihrer Kostüme symbolisiert in diesem Zusammenhang die Gleichheit aller Menschen. Alles in allem eine perfekte Inszenierung. Wort für Wort kam gezielt, ironisch-witzig, aber auch sehr ernst, sachlich und dabei humorvoll-kritisch über die Lippen der Darbietenden und forderte neunzig Minuten lang schonungslos und rasant die volle Aufmerksamkeit der Zuhörer, die zeitweise kaum zu atmen wagten und ausgesprochen aufmerksam das Bühnengeschehen verfolgten. Daher gab es zum Schluss auch Standing Ovations für diese grandiose Vorstellung.