Künstlerin sprach über den Weg der Frauen in der Kunst
Vitaler Auftritt von Mary Bauermeister
Remagen. Gerade zurück aus Amerika und nach einem unmittelbar folgenden Besuch in Solingen, wo sie eine Einzelausstellung hat, war Mary Bauermeister zu Gast in der Galerie Rosemarie Bassi. Denn das hatte sie Galeristin Bassi versprochen, die dennoch aufatmete, dass die Künstlerin und Freundin ihre Zusage einlöste. In der aktuellen Ausstellung „Weiberkram“, die beide gemeinsam kuratiert haben, wird der Fokus auf elf Künstlerinnen gelenkt und damit auf den speziellen Weg, den die Frauen in der Kunst gehen. Mary Bauermeister selbst ist darunter. Ihre optischen Linsen sind zu sehen, Lichtkästen mit sizilianischen Laken, Steinarbeiten und eine große in sich heterogene Installation, die viel über ihr Leben erzählt. Versammelt haben die Kuratorinnen Künstlerinnen, deren Werk sie wertschätzen und noch bekannter machen wollen. Bauermeister, groß, weiße Tunika, weiße Hose und heller Trenchcoat, fällt schon optisch auf. Aber das ist gar nichts gegen die Aufmerksamkeit, die sie durch ihre Ausführungen bei den Besuchern hervorruft. Die sind gekommen, um die 82-Jährige über ihr bewegtes Leben sprechen zu hören, die eigene Kunst, die von Wegbegleitern und die Kunst im Allgemeinen. Sie wollen die als „Mutter der Fluxus“ oder Prä-Fluxus Apostrophierte erleben, in deren Kölner Atelier sich schon Anfang der 60er Jahre die Avantgarde der Kunst traf, wie Nam June Paik, John Cage, Persönlichkeiten aus Literatur, bildender Kunst und Musik,H so auch ihr späterer Ehemann Karlheinz Stockhausen. Mary Bauermeister reden zu hören mit ihrer geistigen Beweglichkeit, den farbigen druckreifen Formulierungen, ihrem Einfallsreichtum und Humor, das kommt freilich einem Naturereignis gleich.
„Muschelkleberei“, „Nadelarbeit“
Rosemarie Bassi weiß um das Potential. Sie weißt die Gäste einerseits auf das Schaffen Bauermeisters hin. Aber nicht minder bedeutend sei, was sie ausgelöst habe: „Das allein wäre Stoff für eine Doktorarbeit“. Da erzählt die Künstlerin von einem Nahtoderlebnis: „Ich, die ich pausenlos geschafft habe, bin rückwärts durch mein Leben gegangen und habe mich gefragt, was bewirke ich, wen kann ich zu einem anderen größeren Bewusstsein verhelfen?“ Immer, wenn Leute sagten, das ist nicht gut in der Kunst, erwiderte sie, „lass Dich doch mal darauf ein und schaue, was es in Dir bewirkt“. In ihrer Frühzeit nannte man ihre Arbeiten in Deutschland abfällig „Muschelkleberei“, „Handarbeit“, „Nadelarbeit“.
Was sie hervorbrachte, wurde kleingeredet und als weibliche Bastelei angesehen. 1962 hatte sie ihre erste Einzelausstellung im Amsterdamer Stedelijk Museum. Dort sah sie Werke von Robert Rauschenberg und Jasper Johns. Vollends fasziniert, dachte sie, „wo das als Kunst gilt, da will ich hin“. So zog sie 1962 mit Karlheinz Stockhausen nach New York und blieb zehn Jahre dort. „In Amerika hatte ich das Gefühl, ich bin ein Indianer.“ Sie empfand sich in Kontakt mit dem Land und mit der Natur. Ihre Kunst wurde gefeiert und von den wichtigen Museen gekauft.
Frauen in der Kunstgeschichte
Im Kampf von Frauen um Anerkennung in der Kunstgeschichte unterscheidet Mary Bauermeister zwei Phasen. In der ersten zeigen die Künstlerinnen, dass sie genauso gut sind wie Männer, was nach herrschender Meinung Jahrhunderte lang in Zweifel stand. Als Beispiel werden die komponierenden Geschwister Fanny Hensel und Felix Mendelssohn angeführt. Der Vater bestimmte, nur der Sohn könne das Komponieren als Beruf ausüben. Während jener berühmt wurde, veröffentlichte die Schwester teils unter seinem Namen. „Nach Phase eins, in der die Frau zeigt, ich kann auch schießen, Motorrad fahren und Baseball spielen, kommt Phase zwei, in der sie sich fragt, was ist meine besondere Wahrnehmung der Welt?“ In der Ausstellung finden sich lauter Protagonistinnen, die dieser Fragestellung folgen. Bauermeister richtete das Augenmerk auf die Japanerin Takako Saito aus Düsseldorf. Kluge, leichte, sehr ästhetische Objekte, ein Fluss-Buch mit transparenten Schnipselkästchen oder „Gefriermusik, Bohnensuppe“, zeigt die vielseitige Avantgardistin.
Frauen, die Neues erschufen, das man erst nach Jahrzehnten als Kunst anerkannte, waren die Engländerin Georgiana Houghton (1814-1884), deren Weg in die Abstraktion durch Bilder voll ornamentaler Linien-Strudel anschaulich wird oder die Geistheilerin und früh geometrisch malende Schwedin Hilma af Klint (1862-1944). Vor dem „Scheiterhaufen der Bauern gerettete“ Heilbilder der Schweizerin Emma Kunz (1892-1963) haben gleichfalls ihren Platz in „Weiberkram“. „Diese drei haben lange vor Kandinsky und Mondrian gegenstandslos gearbeitet, die Kunstgeschichte müsste umgeschrieben werden“. Af Klint profitierte von einem weiblichen Unterstützerzirkel, „eine Ausnahme“, so Bauermeister.
Überwiegend seien Frauen alleingängerisch unterwegs. Männer bildeten dagegen eher Zusammenschlüsse. An ihrer eigenen Installation entnahm sie Beispiele von Textilien. Immer wieder hatte sie Handarbeiten von Einwohnern bewundert und erworben. Sie entfaltete für ihre Zuhörer einen mexikanischen Poncho, einen gewirkten afrikanischen Liebesbrief und einen vielfach ausgebesserten Kaftan. Das Sammeln, auch von Materialien gehörte zu ihrer Kunst. „Ich habe mein Malmaterial verherrlicht, so kam der Bleistift in meine Arbeiten“. Verblüffung rief hervor, als sie selbstgestricktes vorholte – „immer Ärmel, etwas anderes konnte ich nicht“.
Probier was anderes aus
Dichte Gemälde und Objekte der anwesenden Hendrina Krawinkel wurden betrachtet, Irmel Droeses gefaltete, genähte und gewachste Figuren sowie die großen „Auditory Illusions“, geschwungene Gebilde, welche Marya Kazoun (Libanon, Italien) aus Bambus, Perlen und Wolle kreiert. Bevor Mary Bauermeister eine beeindruckte Besucherschar zurückließ, riet sie den Künstlern noch: „Wenn etwas besonders gut gelingt, probiere etwas anderes aus. Als ich in New York erfolgreich war, ging ich zurück nach Deutschland, habe Bienen gezüchtet, Antennen und Pyramiden gebaut“. Und sie fuhr fort: „Wenn Kunst nicht aus einem spirituellen Hintergrund kommt, ist es Design. Die Ausstellung ist mittwochs bis sonntags, 14 bis 18 Uhr, in der Marktstraße 109, geöffnet und nach Vereinbarung unter Tel. (0 26 42) 99 42 66, Mobil: (01 72) 9 44 81 24. HG