Stadtrat stellt die Weichen für heimische Stromerzeugung
Städtische Flächen für Windkraft im Heimbach/Gladbacher Wald
Neuwied. Als einem Kompromiss, der allen Seiten Rechnung trägt, bezeichnete Martin Hahn (CDU) die Einlage von städtischen Waldflächen, acht im Heimbach/Gladbacher Wald und eine in Segendorf, in das Gesellschaftsvermögen der SWN. Der städtische Versorger will auf rund 10 Hektar Windräder errichten. Die rund 11 Mio. Euro teuren Anlagen sollten jährlich zwischen 17 und 21 GWh produzieren. Der CDU-Chef sprach von einer zukunftsweisenden Entscheidung, um Neuwieds Bürger und Gewerbetreibenden unabhängiger von den Energiemärkten zu machen. Sven Lefkowitz (SPD) zeigte sich zufrieden, dass das Verfahren nun in Gang gekommen sei, wobei noch nicht klar sei, ob das Vorhaben wie geplant auch genehmigt wird. Der Sozialdemokrat lobte die geplante Bürgerbeteiligung, die zur Akzeptanz der Windräder beitragen werde. Regine Wilke (Bündnis 90/Die Grünen) sprach von einem Meilenstein für eine nachhaltige Entwicklung. Über dem Aufsichtsrat der SWN habe die Politik die Kontrolle, dass die Errichtung der Windräder unter strengsten Umweltauflagen erfolgt. Zufrieden äußerte sie sich, dass Neuwied die Verantwortung übernehme, die geforderte Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Dietrich G. Rühle (FDP) gestand zwar die Landschaftszerstörung ein, aber andernfalls sei Neuwied in 20 Jahren abgehangen. Dr. Jutta Etscheidt (Bürgerliste) bedauerte, dass es mit der Ruhe in der Kernzone des Naturparks Rhein-Westerwald zukünftig vorbei sei. Sie kritisierte das Verschenken der Waldflächen an die SWN. Würden die SWN in Insolvenz gehen, wären die Flächen als Konkursmasse verloren. Geeigneter wäre eine Verpachtung. Dr. Jutta Etscheidt schlug vor, die Entscheidung den Bürgern zu überlassen. In Anbetracht von Abschaltungen von Windrädern durch Netzüberlastung und der geplanten Unternehmensneugründung stellte sie darüber hinaus in Frage, ob der Strom für die Neuwieder tatsächlich günstiger wird. „Wir verschenken nichts, sondern leisten eine Kapitaleinlage“, stellte Oberbürgermeister Jan Einig richtig. Die SWN wären auch nicht in der Lage die Investitionen von 100 Mio. Euro zu stemmen, ohne eine Kapitalerhöhung zu tätigen. Und diese erfolge durch das Einbringen der Grundstücke. Unwirsch reagierten die anderen Fraktionen und warfen der Bürgerliste Populismus bzw. eine grundlegende Ablehnung der Windkraft vor. Nachdem auch die Fraktionen der Linken und der FWG ihre Unterstützung zum Ausdruck gebracht hatten, segnete der Stadtrat den Beschluss bei vier Gegenstimmen und drei Enthaltungen ab.
Auf dem Weg zu 70.000 Einwohner
Oberbürgermeister Jan Einig sieht Neuwied auf Kurs in Richtung 70.000 Einwohner. Er verlas den zweiten Bericht des Stadtentwicklungskonzepts. Nach einer dreijährigen Erarbeitung unter breiter Beteiligung der Bürger beschloss der Stadtrat 2018 einen Fahrplan zur besseren Wahrnehmung der Stadt Neuwied und der Steigerung der Einwohnerzahl. Die Idee dahinter: Mehr Steuereinnahmen führen zu mehr finanziellen Spielräumen, die die Verbesserungen der Infrastruktur ermöglichen. Explizit ging Neuwieds erster Bürger auf fünf Zukunftsprojekte aus ach Handlungsfeldern ein. Als „nie dagewesenes“ Projekt bezeichnete er die Revitalisierung des 1 Mio. Quadratmeter großen Rasselsteingeländes. Mitnichten ein Bebauungsplan normaler Art. Mit dem Investor stehe man in konkreten Verhandlungen für einen städtebaulichen Vertrag. Jan Einig zeigte sich guten Mutes, baurechtliche Schritte in der nächsten Legislaturperiode einzuleiten. Er sprach von einen praktisch neuen Stadtteil mit bis zu 1.700 Wohnungen. Für den Neuwieder Yachthafen wurde der Bebauungsplan schon vor längerem aufgestellt. Mit dem Investor befinde sich die Stadt derzeit in der Abstimmung zum Bau von einem Hotel, Bürogebäude und bis zu 1.000 Wohneinheiten. Für das Zukunftsprojekt Innenstadt zählte der Oberbürgermeister eine lange Liste von Verbesserungen auf, die durch das Akquirieren von Förderprogramm möglich wurden. Darunter das Deichvorgelände mit neuer Beleuchtung, die Erneuerung von Marktstraße und Marktplatz sowie die anstehenden Maßnahmen Luisenplatz und Schlossstraße. Zur Aufwertung zählen auch das Innenstadtlabor und Veranstaltungen. Fertig, so Jan Einig, sei man noch lange nicht. Vor allem hinsichtlich der Herausforderungen für den Einzelhandel. Beim vierten Zukunftsprojekt Campus Neuwied konnte der Oberbürgermeister, trotz vielerlei Gespräche, nichts Zählbares berichten. Mit „etwas Glück“ könne aber bald zumindest eine Kooperation verkündet werden. Die Idee hinter dem Campus Neuwied ist es, junge Leute für die Stadt zu gewinnen. Zum Thema Neuwied an Rhein und Wied verwies der Stadtchef auf die vorgenannten Wohnprojekte und Entwicklungsmöglichkeiten für die Naherholung an der Wied. In Sachen Tourismus und Mobilität verwies er auf das aktuell in der Erstellung befindliche Tourismuskonzept und den Bürgerbus. Abschließend stellte Jan Einig fest, dass sich die Welt in 9 Jahren weitergedreht hat und warb um die Fortschreibung des Stadtentwicklungskonzept durch einen externen Dienstleister um weitere Handlungsfelder. Diesbezüglich gab es die Zustimmung des Stadtrats. Die Öffentlichkeit soll bei dem Planungsprozess wieder beteiligt werden.
Engagierte Bürger sind enttäuscht
In der Einwohnerfragestunde nach §16a der Gemeindeordnung zeigten sich die Neuwieder äußerst interessiert und hielten auch mit Kritik nicht hinter dem Berg. Fahrlehrer Klaus Ditscheid hatte in der letzten Ratssitzung mehrere falsch beschilderte Stellen, unter anderem in der Innenstadt und Heddesdorf, benannt und auf die lebensgefährlichen Konsequenzen hingewiesen. Entrüstet stellte er fest, dass sich seitdem nichts getan haben, obwohl auch die Medien berichteten. Oberbürgermeister Jan Einig entgegnete, dass die Verwaltung keine Arbeitsaufträge aus der Presse ableite und bat Klaus Ditscheid um schriftliche Eingabe. Mario Geisen vom Landesverband der Schwulen und Lesben wollte wissen, was die Stadt Neuwied am 17. Mai (Int. Tag der Homophobie) plane und wann die Verwaltung einen Querbeauftragten einstellt? Oberbürgermeister Jan Einig entgegnete, dass an dem Tag nichts geplant sei. Bezüglich der Stelle gebe es weder eine rechtliche Vorgabe noch bislang etwaige Forderungen danach. Außerdem stellte der Oberbürgermeister die notwendige Genehmigung der Aufsichtsbehörde in Frage. „Wir streiten mit der ADD um jede Stelle“, berichtete Jan Einig. Seit Monaten fordert Rolf Alterauge, aufgrund der Lärmgrenzen, die Einrichtung von Tempo 30 in der Kirchstraße und der Hermannstraße. Er monierte, dass beide Straßen nicht im Lärmaktionsplan für die nächsten fünf Jahre aufgenommen sind. Oberbürgermeister Jan Einig verwies auf Gespräche mit dem Landesbetrieb Mobilität und dass Neuwied bei diesen Straßen nur in Absprache mit der Behörde tätig werden könne. Andernfalls ginge die Zuschussberechtigung verloren. Ein Bürger wollte wissen, ob die Zusicherung eines Grundstücks in Segendorf an die SWN zurückgenommen wird, weil der Standort nicht für Windkraft genutzt wird. Der Oberbürgermeister erklärte, dass dies nicht nötig ist, da die Zusicherung zweckgebunden sei. Auf Nachfrage eines Irlichers erklärte Dezernent Ralf Seemann, dass Photovoltaik auf dem Rathaus zwar nicht möglich sei aber sich eine Anlage auf dem Dach der VHS, in der Heddesdorfer Straße, in der konkreten Umsetzungsphase befinde. FF